Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich oft keine andere

von Redaktion

Dehoga klagt über schlechte politische Rahmenbedingungen – Ein Viertel aller Gemeinden hat kein Wirtshaus mehr

München – „Wo die Wirtschaft stirbt, stirbt der Ort“, heißt es in einer Studie zur bayerischen Wirtshauskultur der Universität Eichstätt-Ingolstadt. In Bayern gibt es 2056 Gemeinden. Davon stehen um die 500 mittlerweile ohne Wirtshaus da. „Wenn in München ein Betrieb schließt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein neuer öffnet“, sagt Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Bayern. In ländlichen Gegenden sei das ganz anders. Wenn sich dort eine Tür schließt, dann öffnet sich eher selten eine andere.

Traditionell werden dörfliche Wirtshäuser auch als Versammlungs- und Veranstaltungsort genutzt. Sie sind ein Ort der Begegnung und spielen eine große Rolle im Vereinsleben. Wenn ein Wirtshaus schließt, leidet der Ort aber nicht nur, weil ein sozialer Treffpunkt wegbricht, sondern auch, weil dem Dorfmetzger oder dem Bäcker ein großer Kunde fehlt. „Der größte Abnehmer regionaler Produkte ist die heimische Gastronomie“, sagt Dehoga-Sprecher Frank-Ulrich John.

Wenn Geppert über das Wirtshaussterben spricht, regt ihn das auf. Ein erster Knackpunkt sei das Rauchverbot gewesen, das 2010 in Kraft trat. In Bayern hätten laut der Studie zur Wirtshauskultur fast ein Drittel der Schankbetriebe im Vergleich der Jahre 2000 und 2011 schließen müssen. Ein weiterer Schlag sei die Corona-Pandemie gewesen. 2019 gab es in Bayern noch 39 741 gastgewerbliche Betriebe. Wegen der Pandemie schlossen 6505 davon. Und dann ist da noch die Mehrwertsteuer. Kurz nach Beginn der Pandemie hatte die Bundesregierung den Satz für die Gastronomie von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Seit Anfang des Jahres gelten wieder die 19 Prozent. „Das war ein historischer Fehler“, klagt Geppert. „Das macht die Betriebe kaputt.“ Die Dehoga Bayern geht davon aus, dass weiteren rund 2400 Betrieben das Aus droht – ein Großteil davon Dorfwirtschaften.

Dorfwirtschaften würden auch keine Insolvenz anmelden, sondern einfach schließen, sagt Geppert. „Sie sterben leise. Was nutzt einem der schönste Radweg, wenn ich danach nirgends einkehren kann?“ Mehr als die Hälfte der 18- bis 74-Jährigen gab Anfang des Jahres in einer Erhebung des Bayerischen Zentrums für Tourismus an, wegen der Preissteigerungen durch den Wegfall der reduzierten Mehrwertsteuer nun seltener außer Haus essen zu gehen. Im bayerischen Gastgewerbe ist der reale Umsatz im Januar gegenüber Januar 2023 laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik um fünf Prozent gesunken. Die Beschäftigtenzahl stieg dafür um vier Prozent.

Geppert hat noch einen Kritikpunkt – den „Bürokratiewahnsinn“, wie er sagt. „Eigentlich müsste man jedem Dorfwirt wöchentlich einen Orden umhängen.“ Ein Wirt sei schließlich nicht nur Koch, Servicekraft und für alles Organisatorische zuständig, sondern zusätzlich um die 13 Stunden wöchentlich mit Bürokratie beschäftigt. Gastronomien seien zudem sehr personalintensiv. Es würden sechsmal so viele Mitarbeiter benötigt, um den gleichen Umsatz zu erzielen wie im Einzelhandel. Dazu kämen große Kostensteigerungen in Bereichen wie Lebensmittel, Personal und Energie, gepaart mit Umsatzeinbrüchen wegen des Konsumverhaltens. Außerdem seien die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie noch nicht überwunden und Kredite müssten zurückgezahlt werden.  fwe

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