München – Alex kommt noch nicht wirklich ins Schwitzen. Es ist zwar ein sonniger Nachmittag, aber gerade keine Stoßzeit am berühmten Kiosk an der Münchner Reichenbachbrücke. Alex, sportliche Statur, eckige Brille, arbeitet in dem Kiosk. Ein Mann bestellt bei ihm eine Bratwurst-Semmel, eine Mutter mit Sohn nimmt ein Wasser mit. Eine Stammkundin kauft eine Schachtel Zigaretten. „Dasselbe wie letztes Mal“, sagt sie nur. Man kennt sich eben.
Der Kiosk ist ein Kultort, ein Treffpunkt für Nachtschwärmer, 23 Stunden am Tag geöffnet. 300 verschiedene Biere gibt es hier – und mehr als 70 Sorten Limonaden, Eistees, Soft-, Wellness- und Energydrinks. Limos, bestätigt Alex, gingen immer öfter über die Ladentheke. An sonnigen Tagen verkaufe der Kiosk zur einen Hälfte Bier und zur andere Hälfte Limos. Vor allem sonntags sei die Nachfrage nach den beliebten Limos groß.
Vor Kurzem haben die Inhaber eine neue Werbetafel angeschafft. „In 3D“, erklärt Alex stolz. „Die Reklame war richtig teuer.“ Sie zeigt, welche Limos bei den Kunden am meisten gefragt sind. „Das ist die angesagteste Liste der Sorten“, sagt er. Auf der Tafel ist ein bunter Mix aus vielem zu sehen, was der umkämpfte Markt zu bieten hat. Limos und Schorlen in allen Farben und Geschmäckern. Auch Bio-Limos gibt es. Die Kühlschränke im Kiosk sind randvoll mit den süßen Getränken. Trotz der Angebotsvielfalt haben die Kunden aber einen klaren Favoriten. ein Klassiker, der jedem Trend trotzt. „Die Nummer 1 ist Spezi“, sagt Alex. „Ganz klar.“ Keine fünf Minuten später verkauft er wieder eine Flasche von dem dunkelbraunen Mischgetränk. „Schau, hab’ ich es doch gesagt“, ruft er freudig.
Benjamin hat sich den Spezi besorgt. Vor fünf Jahren, sagt er, wäre es vielleicht ein Bier gewesen. „Aber man wird älter, vernünftiger“, meint der 35-Jährige. Limo ist für ihn ein Getränk der besonderen Anlässe, so wie heute, wo er noch an die Isar will. „Wasser trinkt man daheim genug“, scherzt er. „Spezi passt einfach zum schönen Wetter.“
Kurz darauf schlendern Paulina und Tassilo an die Kiosktheke. Die Studenten legen ein Päuschen an der Isar ein. Dazu gibt’s Radler. „Ich trinke super selten Limo“, sagt Tassilo. Pure Limonade, erklärt der 22-Jährige, sei ihm nach ein bis zwei Schlucken einfach zu süß. Gemischt mit Bier dagegen findet er den Geschmack viel besser. Und Radler sei ja schließlich kein Alkohol, sagt er augenzwinkernd. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich aber auch ein Radler als Kalorien- und Zuckerbombe. Wenn es mal eine Limo sein soll, trinken die beiden Mate oder Matcha. Die Klausurenphase ist so eine Zeit. Die Getränke sollen, so verspricht zumindest die Werbung, entspannend wirken und die Konzentration verbessern. Genau das Richtige für die anstrengende Prüfungsphase, finden Paulina und Tassilo – und außerdem an der Uni angesagt. „Es ist schon cool, aber inzwischen eher eine Gewohnheit geworden“, sagt Tassilo, um dann im gleichen Atemzug zu gestehen: „Im ersten Semester war es schon auch ein Statussymbol.“
Der 21-jährige David, ebenfalls Student, besorgt sich gerade eine Mate. „Ich find’s einfach lecker“, sagt er lachend und nimmt einen Schluck. „Ich hab’s oft in der Bibliothek getrunken.“ Weil es cool ist und weil er kein Bier trinkt, greift er zur Mate.
Eva kommt mit ihrem E-Bike entlang und stoppt. Heute entscheidet sie sich für ein sanftes Mineralwasser. „Ich achte zurzeit mehr auf Zucker“, erklärt sie. Am liebsten trinkt sie Limos mit wenig Saft. „Ich trinke es, weil es mir schmeckt, nicht weil es angesagt ist“, sagt sie. Sehr wichtig ist ihr das Bio-Siegel.
Ist der Limo-Boom nur ein vorübergehender Trend? Verkäufer Alex zuckt die Schultern und will darüber nicht spekulieren. Den Kunden scheint das relativ egal zu sein. Immer wieder fällt das Wort Genuss. In schwierigen Zeiten ist die Freude am Genuss offenbar größer denn je.