Historisches Gemälde einer Dachauerin im 19. Jahrhundert auf dem Weg zur Kräuterweihe. © mauritius
Peter Gasteiger, unser Interviewpartner, kennt die besten Kräutertipps. © privat
Kräuterkennerin Valerie Jarolim kennt die geheimnisvollen Kräfte von Rotklee, Brennesseln und Giersch. Rechts im Text stellt sie ihren bunten Zauber-Salat vor. © Mestrovic/servus verlag
München – Sie sind frisch, sie sind aromatisch – und herausragende Helfer für die Gesundheit. Heilkräuter werden seit Jahrtausenden verzehrt. Je hektischer der Alltag, desto mehr sehnen sich die Menschen nach Natur pur. Kein Wunder, dass Kräuter einen Boom erleben, sagt der Gärtner Peter Gasteiger. Er kennt viele Geheimnisse unserer Ahnen rund um ihre Wirkung und gibt sein Wissen weiter. Wir haben mit dem 39-Jährigen aus Gars am Inn, der sich als Gärtner aus Leidenschaft bezeichnet, gesprochen. Und merken: Gegen sein fundiertes Wissen aus alter Zeit ist kein Kraut gewachsen.
Herr Gasteiger, sind wir Kräuter-Ignoranten?
Natürlich nicht, aber die Alten wussten noch, welches Kraut gegen was hilft. Die Rezepte, die heute für uns selbstverständlich sind, hatten alle einen Grund. Wie eben auch die Bauern- oder Klostergärten. Da wuchs nichts, weil es einfach nur schön war.
Ein Beispiel?
Die Mariendistel stand früher in jedem Garten. Sie war leberstärkend. Die Bäuerin hat die Samen zerrieben und in den Kartoffelbatz zum zweiten Frühstück gegen 9 Uhr getan. Die Bauernleber hat sich entgiftet, und der Gatte konnte weiterarbeiten. Oder weitertrinken, je nachdem. Die Madonnenlilie wiederum half bei Quetschungen und Stauchungen. Überhaupt gilt: Alles, was „Maria“ oder „Madonna“ im Namen trägt, gehört zu hochwertigen Heilpflanzen. Das Marienblatt etwa hilft gegen Übelkeit und ist gut gegen Reisekrankheit. Es war so berühmt, dass es sogar als Lesezeichen in Gebetsbüchern auftauchte. Vor allem von jungen Mädchen.
Bei jungen Mädchen?
Ja, weil es oft vorkam, dass sie im Gottesdienst umkippten. Vom Weihrauch, von der harten Arbeit vor dem Kirchgang. In der letzten Reihe saß dann bestimmt eine Ekstase-Beterin, die im Dorf herumgetratscht hat, dass das Madl sicher schwanger sei. Das war furchtbar – ein ruinierter Ruf war nicht mehr zu reparieren.
Wie schaut es heute bei jungen Leuten aus – nicht in punkto Schwangerschaften, sondern Interesse an Ihrem Wissen?
Seit Corona hat das Interesse der jungen Menschen an Anbau und Wirkung von Heilkräutern massiv zugenommen. Ich habe neulich bei einer Führung mit Kindern selbst Cola hergestellt.
Wie geht das?
Warmer Apfelsaft, Eberraute hinzu, abkühlen lassen und fertig. Die Eberraute heißt wegen ihres Geschmacks auch Cola-Kraut. Die Pflanze wurde früher in Karamellzuckersirup in Apotheken angesetzt, und irgendein findiger Geschäftsmann hat dann irgendwann den Eberrautensaft durch Koffein und Zucker ersetzt. Der Grund: Das Aufputschmittel hält nicht lange an. Man braucht immer mehr. Beim Eberrautensaft waren sie hingegen immer high. Früher wurde sie ins Bier gehängt, dann konntest du die ganze Nacht durchfeiern. Die Pflanze gehört übrigens zu den Klimagewinnern, du kannst sie auch im Winter ernten.
Wann erntet man denn am besten?
Immer kurz vor der Blüte der Pflanze, da ist die Heilkraft am größten. Und immer vormittags, so ab ungefähr 10 Uhr, da ist die Pflanze trocken und hat am meisten Power. Zum Kochen empfehle ich unbedingt: die Kräuter nicht mitkochen, sondern sie erst kurz vorm Servieren über das Gericht streuen. Durchs Kochen verlieren sie alle Vitamine.
Im Biergarten hat uns mal jemand erklärt, warum die Zwiebel unbedingt zum Wurstsalat gehört…
Das ist auch so. Weil so viel Nitrit-Pökelsalz in der Wurst ist, geht der Blutdruck rauf. Die Zwiebel senkt ihn wieder. Auch Schnittlauch, Bärlauch und Knoblauch wirken stark blutdrucksenkend. Aber Obacht: Gerade bei Knoblauch und Bärlauch geht er rapide in den Keller, da kann es dich direkt umhauen. Überhaupt gilt, das sage ich auch immer in meinen Vorträgen: Heilkräuter sind nicht für jeden ein Heilkraut. Man muss sich langsam herantasten, jeder Mensch ist verschieden. Und niemals mit Gewalt Heilung erzwingen wollen.
Apropos Wurst: Warum hieß Majoran eigentlich auch Wurstkraut?
Da handelt es sich um den Strauchmajoran, der früher bei uns wuchs, aber heute so gut wie ausgestorben ist – weil er ein paar Jahre zum Kultivieren braucht. Ich bin ein großer Fan dieses Krauts, weil es in jedes fette Essen gehört. Es fördert die Fettverbrennung, und gerade früher haben die Metzger unglaublich viel Fett in die Wurst gemischt. Es gab diesen Spruch: „Das Herz einer Frau, der Magen einer Sau, der Inhalt einer Wurscht bleibt alles unerfurscht.“
Wie bewahre ich Kräuter auf, die ich nicht frisch verzehre?
Zuerst gut trocknen und dann in eine Tupperdose oder ein gut schließendes Einmachglas mit Gummi. Mein Tipp: Die Dosen oder Gläser nie in der Küche aufbewahren, damit kein Wasserdampf hineingerät. Für die Kräuter ein Gefrierfach verwenden, damit der Weg zum Kochtopf nicht weit ist. Es hilft nichts, wenn man dutzende Kräuter im Garten oder auf dem Balkon hat, sie aber nicht verwendet. Fleischige Blätter Petersilie oder Meerrettich sollte man vor dem Einfrieren klein schneiden.
Viele schwören auf Petersilie…
Ja, weil die Petersilie ein Allrounder und das beste Allheilmittel überhaupt ist – von Osteoporose bis zu Krankheiten generell. Sie stand früher als Sträußerl immer am Tisch, nicht zur Deko oder wegen des Aromas, sondern um sie zu verzehren. Auch immer gut: frischer Meerrettich. Er reinigt die Nebenhöhlen und reißt alles aus der Nase, was nicht hingehört. Es beugt Kopfschmerzen vor und kann gegen Migräne helfen. Frühere Generationen haben mit ihrem Essen immer auch Gesundheitsvorsorge betrieben. Und weil in der Großfamilie nicht jeder das aufgetischte Gericht vertragen hat, wurde mit Kräutern vorgebeugt. Man hat schließlich nicht für jeden etwas Eigenes gekocht.