US-Experte: „Das hat etwas von Sektentum“

von Redaktion

Trotz der Verurteilung muss Trump nicht groß um seine Wählerschaft und den Rückhalt in den eigenen Reihen bangen

München – Das Urteil ist gefällt: Zum ersten Mal in der US-Geschichte ist ein Ex-Präsident ein verurteilter Straftäter. Johannes Thimm, USA-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärt im Interview, was dieser Schuldspruch jetzt für Donald Trump im Wahlkampf bedeutet.

Donald Trump ist in dem Schweigegeldprozess schuldig gesprochen worden. Ist das überraschend?

Es war im Vorfeld nicht klar, wie dieser Prozess ausgeht. Die Anklage basiert ja auf einem ziemlich komplizierten Konstrukt, das New Yorker Recht mit Bundesrecht vermischt. Darüber hinaus war es auch ein Jury-Prozess, bei dem für eine Verurteilung eine Einstimmigkeit der Jury notwendig war.

Ist es also besonders, dass sich die Geschworenen so einig waren?

Ja. Es ist etwas Besonderes, dass sie der Anklage vollständig gefolgt sind und Trump in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen haben. Und es ist natürlich auch besonders, dass ein ehemaliger Präsident für ein Verbrechen verurteilt worden ist. Das ist erstmalig in der Geschichte.

Verliert Trump als strafrechtlich Verurteilter nun einen Teil seiner Wählerschaft?

Es gibt Umfragen, in denen ein paar Wähler der Republikaner sagen, sie würden nicht für einen verurteilten Donald Trump stimmen. Etwa zehn bis 20 Prozent der republikanischen Wähler sind beeinflussbar. Das sind vor allem die etwas Moderateren – zum Beispiel Menschen mit einem höheren Bildungsgrad, die gerne in Vorstädten wohnen. Der Rest gehört zu dem harten Kern der Trump-Loyalisten.

Was sind das für Wähler, die Donald Trump auch jetzt noch treu bleiben?

Diejenigen, die ihn auch während der Vorwahlen zum Kandidaten gemacht haben. Donald Trump ist nun ausreichend bekannt. Man weiß, worauf man sich da einlässt und die überwiegende Mehrheit – ungefähr 80 Prozent – der republikanischen Vorwähler haben trotzdem für ihn gestimmt.

Gibt es überhaupt irgendetwas, das diese treue Trump-Wählerschaft irritieren könnte?

Etwa zwei Drittel der republikanischen Wähler, also etwa ein Drittel der amerikanischen Wähler, sind inzwischen so überzeugt und so loyal gegenüber Trump, dass die sich nicht mehr umstimmen lassen. Egal, was passiert. Das hat etwas von Sektentum. Dieser Teil glaubt auch einfach nicht mehr der normalen Berichterstattung und folgt Trumps Erzählung von unfairen Gerichten und einer Hexenjagd gegen ihn.

Könnte Trump von diesem Urteil sogar profitieren?

Er inszeniert sich weiter als Opfer – und das hat auf seine Anhänger durchaus eine mobilisierende Wirkung. Das kann auch dazu führen, dass er noch mal mehr Wahlkampfspenden einsammelt. In begrenztem Maße könnte er nun auch Leute auf seine Seite ziehen.

Zum Beispiel?

Ich denke da an Elon Musk. Es ist gerade berichtet worden, dass es Treffen zwischen Elon Musk und Donald Trump gab. Und Musk soll überlegen, Trump aktiver zu unterstützen, als er es bisher getan hat.

Wird Trumps Rückhalt der Republikaner durch das Urteil geschwächt?

Nein. Die Republikaner im Kongress haben sich schon hinter ihn gestellt. In den letzten Prozesstagen sind sie angereist und haben – als Trump einen Maulkorb vom Gericht bekommen hat – die Attacken gegen Richter und Geschworene für ihn übernommen. Mit einer kleinen Ausnahme nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, als ein paar Republikaner versucht haben, sich von Trump zu distanzieren, hält die Partei ihm die Treue.

Je nach Umfrage liegt Trump ein bis zwei Prozentpunkte vor Amtsinhaber Joe Biden. Könnten jetzt noch ein paar Staaten umschwenken?

Es sind noch immer über fünf Monate bis zu den Wahlen. Die entscheidenden Swing States sind Michigan, Wisconsin, Pennsylvania, Arizona, Nevada und Georgia, manche sagen auch North Carolina. In den meisten Swing States führt zwar gerade Trump. Doch es ist unklar, wie sich das Urteil wirklich darauf auswirken wird – es hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. In Michigan zum Beispiel gibt es eine große arabischstämmige Bevölkerung, die mit Bidens Kurs im Gaza-Krieg unzufrieden ist. Deswegen wählen sie nicht gleich Trump, aber vielleicht einfach gar nicht. Wenn es schlecht läuft, könnte das Biden sogar die Wahl kosten.

Ein Blick auf das deutsch-amerikanische Verhältnis: Was bedeutet das Urteil für die Beziehung?

Wenn die USA einen verurteilten Straftäter zum Präsidenten wählen, sagt es nichts Gutes über den Zustand der Demokratie aus. Das beeinflusst natürlich auch die deutsche Wahrnehmung der USA. In wenigen anderen Ländern ist Trumps Image so schlecht wie in Deutschland. Trotzdem wird die Bundesregierung gezwungen sein, mit ihm zusammenzuarbeiten.

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