Abschiebungen nach Afghanistan – bewegt sich was?

von Redaktion

Faeser fordert „möglichst schnelle“ Entscheidung – Herrmann spricht von „Armutszeugnis sondergleichen“

Abschiebeflug nach Kabul: Bald wieder möglich? © Kappeler/dpa

München – Zumindest im Ton findet die Innenministerin zu einer gewissen Härte. Wer eine Gefahr für Deutschland sei, müsse schnell abgeschoben werden, sagt Nancy Faeser am Dienstagmorgen – das Sicherheitsinteresse des Landes überwiege „eindeutig“ das Bleibeinteresse von Betroffenen. „Deshalb versuchen wir, alles möglich zu machen, um Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abzuschieben.“ Seit Monaten lasse sie Mittel und Wege prüfen. Die Entscheidung müsse „möglichst schnell“ fallen.

Die Dringlichkeit ist wohl nicht gespielt. Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Attentat eines Afghanen in Mannheim türmen sich Forderungen danach, Abschiebungen in Länder wie Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Die SPD-Politikerin ist unter Druck, auch durch die Länderkollegen. Hamburgs Innensenator Andy Grote, ein Parteifreund, hatte die Forderung erhoben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagt gestern erwartungsvoll, er glaube, „dass die Debatte durch diesen Vorfall eine neue Nachdenklichkeit erfährt“. Aktuell gilt ein Abschiebestopp, der auf Faesers CSU-Vorgänger Horst Seehofer zurückgeht. Wegen der Machtübernahme der Taliban setzte der CSU-Politiker Abschiebungen nach Afghanistan im August 2021 aus. Ein Rechtsstaat trage „auch Verantwortung dafür, dass Abschiebungen nicht zur Gefahr für die Beteiligten werden“, sagte er.

Die Regelung zu ändern, ist offenbar komplex. Schon im März 2023 hieß es, Faeser lasse Abschiebemöglichkeiten für schwere Straftäter prüfen. Im Dezember machten die Landesinnenminister Druck, ohne Erfolg. Erst im April notierten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, dass die Ampel Rückführungen nach Afghanistan „aus praktischen Gründen“ nicht für durchführbar halte. Das liege vor allem daran, dass Berlin die Taliban-Regierung nicht anerkenne.

So argumentieren auch Abschiebungs-Kritiker, vor allem die Grünen. Ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan gebe es nur zu einem gewissen Preis, sagte Parteichef Omid Nouripour. Den Taliban Geld zu zahlen „wäre eine Stärkung der islamistischen Szene und das ist keine Lösung“. Auch die innenpolitische Sprecherin Lamya Kaddor hält die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht für sinnvoll. Islamistische Straftäter, sagt sie, müssten bei den Taliban womöglich gar keine Strafe fürchten. Sie würden „noch eher belohnt“.

Grüne Bedenken spielen auch an anderer Stelle eine Rolle. Ob Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern möglich sind, hängt nämlich auch vom – grün geführten – Auswärtigen Amt ab. Das beurteilt in seinem Lagebericht regelmäßig, ob in einem Land überall und jedem eine Gefahr für Leib und Leben droht. Die Einschätzung gilt als richtungsweisend. NRW-Innenminister Reul und sein Stuttgarter Kollege Thomas Strobl (CDU) halten zumindest bestimmte Gebiete Afghanistans für sicher. Ob das Ministerium von Annalena Baerbock da mitgeht, ist offen.

Deutschlandweit leben derzeit rund 13 400 ausreisepflichtige Afghanen, in Bayern sind es laut Innenministerium 2151. Davon seien aktuell 175 „in Bearbeitung der Task Force Straftäter“. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) macht Druck. Dass die Bundesregierung auf fehlende diplomatische Kanäle nach Kabul oder zum syrischen Assad-Regime verweise, sei „ein Armutszeugnis sondergleichen“, sagte er unserer Zeitung. Bei den Aufnahmeprogrammen des Bundes habe es „sehr wohl – direkte oder indirekte – Kontakte zu den Taliban“ gegeben. Der Ball liege beim Bund, vor allem dem Auswärtigen Amt. „Die müssen jetzt endlich Wege finden, wie wir diese Menschen außer Landes bringen können.“

Ob sich was bewegt? Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat für morgen eine Regierungserklärung zur Sicherheitslage angekündigt, ein paar Sätze zur Afghanistan-Frage könnten fallen. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat gestern schon seine Zusammenarbeit angeboten. MARCUS MÄCKLER

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