„Die Identität der Kinder soll ausgelöscht werden“

von Redaktion

Russland hat nach Angaben der Ukraine fast 20 000 Kinder verschleppt – und bietet sie offenbar zur Adoption an

Jeder Teddy und jedes Spielzeug steht bei dieser Installation in Brüssel für ein nach Russland entführtes Kind. © AFP

München – Passgenau zur Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz befeuern neue Berichte erneut die Vorwürfe der gezielten Verschleppung ukrainischer Kinder durch Moskau. Demnach werden ukrainische Kinder in Russland auf Webseiten zur Adoption angeboten – mit russischen Namen und ohne die geringsten Hinweise auf ihre Herkunft. Die Financial Times hatte in einer aufwendigen Recherche vier Kinder von acht bis 15 Jahren auf einer von der russischen Regierung betriebenen Adoptionswebsite als geborene Ukrainer identifiziert und lokalisiert: in Tula bei Moskau, Orenburg nahe der Grenze zu Kasachstan und auf der Krim – ein Zeichen, dass die Kinder in dem ganzen riesigen Land verteilt werden.

Die New York Times berichtet über 17 weitere Kinder, die 2022 aus einem Kinderheim in Cherson entführt wurden. Russen haben den Abtransport der Kleinkinder stolz gefilmt. Der nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, bezeichnete die Berichte als „verabscheuungswürdig und entsetzlich“. Hunderttausende Zivilisten seien aus der Ukraine entführt worden, auch Erwachsene.

Das Ziel der Verschleppungen sei „die Auslöschung der ukrainischen Identität der Kinder“, sagt die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Renata Alt (FDP). Sie bemüht sich um eine Vermittlung zur Rückholung von Kindern in ihre Heimat, dazu reiste sie unter anderem nach Katar, Ägypten, Saudi-Arabien, Kasachstan. Katar habe zweimal die Rückkehr einiger Kinder vermittelt, sagte sie unserer Mediengruppe. Allerdings werde Katar nur aktiv, „wenn sie sicher sind, dass dies zu einem Erfolg führt“. Katar wolle sich als erfolgreicher diplomatischer Player etablieren.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat einen weltweiten Haftbefehl gegen Russlands Kinderrechts-Beauftragte Maria Lwowa-Belowa erlassen. Lwowa-Belowa selbst hatte Putin schon kurz nach Kriegsbeginn gedrängt, die entführten Kinder in russische Familien zu integrieren. Putin unterschrieb die dafür nötigen Dekrete.

Schon seit der Besetzung der Krim und Teilen des Donbass 2014 entfürhten Russen unter dem Deckmantel der Evakuierung ukrainische Kinde.r Doch mit der Vollinvasion im Februar 2022 explodierte ihre Zahl. Nach Schätzungen der ukrainischen Behörden wurden fast 20 000 Kinder nach Russland verschleppt. 550 der Kinder seien inzwischen tot. Nur 388 kehrten in die Ukraine zurück.

Jeden Einzelfall zu dokumentieren ist laut Alt schwierig, sei aber für eine spätere Strafverfolgung in Den Haag wichtig. Die jungen Opfer würden einer umfassenden Indoktrination unterzogen, um ihnen eine russische Identität aufzuzwingen, heißt es in einem aktuellen Bericht der US-Denkfabrik Atlantic Council. „Dieser Prozess findet in einem Netz von Lagern in ganz Russland statt.“ Eine Studie der Yale-Universität habe 43 Indoktrinations-Einrichtungen identifiziert. Hinzu kommen Berichte, dass entführte Teenager paramilitärische Trainings bekommen oder ab 18 Jahren sogar an die Front geschickt werden – zum Kampf gegen ihr eigenes Land. CHRISTIANE KÜHL

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