Monika Hohlmeier ist heute Abgeordnete im Europäischen Parlament. © Matthias Balk/dpa
München – Monika Hohlmeier führte auf Geheiß von Ministerpräsident Edmund Stoiber ab Ende 2003 das G8-Gymnasium ein. Im Rückblick bedauert die einstige Kultusministerin (bis Juli 2004) und heutige CSU-Europaabgeordnete so einiges.
War die Einführung des G8 rückblickend betrachtet ein Irrtum?
Ich sehe es heute so wie damals: Die Entscheidung war übereilt. Ich hatte damals meine Bedenken sowohl beim damaligen Ministerpräsidenten Stoiber als auch in der Fraktion formuliert, etwa dass das G8 auch verstärkten Nachmittagsunterricht bedeuten würde, was viele Eltern abschreckte. Aber da drang ich nicht durch. Das G8 lag damals im Trend der Zeit. Da kam eine Litanei von Klagen, dass die englischen und französischen Studenten schon mit 23 ins Berufsleben starten könnten, dass die deutschen Sozialsysteme entlastet werden müssten und, ganz wichtig: Andere Bundesländer hatten schon umgestellt, Bayern wäre hintendran gewesen – gegen solche Argumente kam man damals nicht an.
Dafür wurde dann in Bayern schon zum nächsten Schuljahr umgestellt.
Meine Überzeugung war damals und ist es heute noch, dass es klüger gewesen wäre, es nicht in dieser Schnelligkeit einzuführen und das G8 nur nach Bedarf auszubauen. Ende 2003 fiel der Beschluss, schon zum Schuljahr 2004 wurden die 5. und 6. Klasse zum G9-Jahrgang. Die Eltern wurden davon schon sehr überrascht, das hat Widerstand produziert, den es so nicht hätte geben müssen. Das G9 war immer gut, das G8 war solide aufgebaut, fand aber einfach nicht die Akzeptanz. Es wäre als Ergänzung gut gewesen – wie man das macht, darüber kann man ja reden.
Die Auseinandersetzung eskalierte damals. Sie haben Schulleiter, die gegen das G8 opponierten, einbestellt und auf Linie gebracht. Wie sehen Sie das im Nachhinein?
Staatssekretär Freller und ich sind damals quer durch Bayern gereist und haben das G8 erklärt. Ich war schon erstaunt, dass Gymnasialdirektoren Umstellungen als nicht zumutbar empfanden. Manche wollten gar nichts ändern. In anderen Schularten, etwa Berufsschulen, gibt es jedes Jahr große Umwälzungen. Es gab allerdings damals auch Schulleiter, die sind übers Ziel hinausgeschossen. Ich habe sie nicht einbestellt und auch nicht auf Linie gebracht, wie es damals hieß, sondern wir haben sie zum ernsthaften Gespräch gebeten. Es gab Oberstudienräte, die verglichen plötzlich die bayerische Staatsregierung mit einem Nazi-Regime. Das geht halt nicht für einen Beamten.
Aber würden Sie heute sagen, auch ich habe da überreagiert, war zu scharf?
Vieles von dem Gespräch mit sechs Schulleitern, auf das Sie anspielen, wurde medial überzogen wiedergegeben. Ich habe deutlich gemacht, dass ich von Oberstudiendirektoren keinen Kadavergehorsam erwarte, aber schon einen konstruktiven Ansatz. Da darf man sagen, das G8 ist übereilt oder falsch, aber die Kritik muss sich im Rahmen halten. Die angebliche Drohung „Wir könnten auch anders“ ist missinterpretiert worden – es ist nun mal so, dass in einer aufgeheizten Diskussion Dinge auch falsch kolportiert werden. Ich habe damals gesagt: Wir ergreifen bewusst keine disziplinarischen Maßnahmen, sondern suchen das Gespräch.
Wo steht Bayerns Schulsystem denn heute im europäischen Vergleich?
Bayerns Schulwesen steht insgesamt gut da, immer noch. Mich stört, dass man immer nur aufs Gymnasium blickt. Jemand, der aus der Mittelschule kommt, kann ein exzellenter Handwerker oder Facharbeiter sein, aber das wird kaum wahrgenommen. Zudem ist unser System voll durchlässig. Das Abitur kann auch über andere Wege gemacht werden. Wir müssen bei der Digitalisierung und dem lebenslangen Lernen noch kreativer werden, und zwar in allen Schularten. Wenn Sie heute eine Grundwasser-Wärmepumpe einbauen, müssen Sie programmieren können. Estland zum Beispiel ist in der Digitalisierung in Europa am weitesten voran und ein echtes Vorbild. Aber auch in Asien, von Indonesien bis Japan, gibt es dafür interessante Lernmodelle.
Die CSU stellt seit 2018 nicht mehr den Kultusminister. Ein Fehler?
Wir sind heute in einer Koalition, da muss man manche Kompromisse machen. Ich würde mir von der neuen Ministerin der Freien Wähler etwas mehr Profil wünschen.