Präsident Emmanuel Macron hat an Macht eingebüßt. © dpa
Jean-Luc Mélenchon will Premierminister werden. © AFP
Marine Le Pen: „Unser Sieg ist nur aufgeschoben.“ © EPA
Paris – Frankreich hat der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen noch mal eine Absage erteilt. Aber jetzt wartet die schwierige Aufgabe, eine stabile Regierung zu bilden. Denn keine Partei ist in der Nähe einer absoluten Mehrheit, die Fronten sind schwierig. Und die neue Regierung muss jede Menge Probleme lösen, viele Franzosen sind unzufrieden. „Die Flut steigt“, sagte RN-Chefin Le Pen nach der Wahlniederlage. „Sie ist dieses Mal nicht hoch genug gestiegen, aber sie steigt weiter und deshalb ist unser Sieg nur aufgeschoben.“
Die Wut der Gesellschaft sei groß, sagt auch Anja Czymmeck, Leiterin des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Paris, am Montag unserer Zeitung. Das sei auch der Grund gewesen, dass das Rassemblement National im ersten Wahlgang so erfolgreich gewesen sei. Es herrsche Wut über steigende Preise, teure Mieten, hohe Energiekosten. „Ich habe das Gefühl, dass das bei jungen Leuten noch mal eine größere Rolle spielt: Der Betrag, den ich verdiene, reicht nicht, um das Leben zu führen, das ich mir vorstelle“, sagt Czymmeck. Auf dem Land sei die Situation noch schlimmer, viele fühlten sich von der Politik vergessen.
Ob eine neue Regierung das ändern kann, sei unklar, sagt Czymmeck. Macron habe den „erhofften Befreiungsschlag nicht erreicht“. Ebenso sei das linke Bündnis nicht zu unterschätzen. Jean-Luc Mélenchon sei ein Linksextremer, der Marine Le Pen „in nichts nachsteht“. Darüber dürfe die Freude über den Wahlausgang nicht hinwegtäuschen. Präsident Emmanuel Macron sieht Czymmeck „ein Stück weit entmachtet“. Frankreich stehe „vor schwierigen Sondierungsgesprächen“. Wer neuer Premierminister werde, sei offen.
Der Linkspopulist Mélenchon (LFI), der als extrem deutschland- und EU-kritisch gilt, hat bereits Ansprüche auf das Amt angemeldet. Aber auch die Grünen-Chefin Marine Tondelier und der Abgeordnete Francois Ruffin, der sich von der LFI getrennt hat, sind im Gespräch. Das Bündnis Neue Volksfront kündigte an, noch in dieser Woche einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu benennen. Vor der zweiten Wahlrunde war es dem spontanen Bündnis aus Linkspopulisten, Sozialisten, Kommunisten und Grünen nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen.
Ohnehin ist die Frage, wie stabil die Neue Volksfront ist. Bis 18. Juli haben die Parteien Zeit, ihre Fraktionen anzumelden – die nicht den Bündnissen vor der Wahl entsprechen müssen. Zudem wird erwartet, dass der ein oder andere Gewählte nun noch das Lager wechselt. Am Wahlabend feierte jede Partei des Bündnisses in einer anderen Kneipe.
RN-Parteichef Jordan Bardella sprach von einem „Bündnis der Schande“, das den Wahlsieg verhindert habe. Tatsächlich haben zehn Millionen Wähler für das RN und seine Verbündeten und nur sieben Millionen für die Neue Volksfront gestimmt. Dass diese trotzdem gewonnen hat, liegt am in Frankreich geltenden Mehrheitswahlrecht. Dennoch: Die Le-Pen-Partei ist weiter erstarkt und dürfte in der Nationalversammlung zu einem erheblichen Störfaktor werden. Für Anja Czymmeck steht fest: „Frankreich bewegt sich wirklich auf schwierige Zeiten zu.“
WHA, ABL, AFP