Merkel 1973 beim Campen in Brandenburg. Damals hieß sie noch Angela Kasner. © Picture Alliance
2015: Angela Merkel macht in einer Erstaufnahmeeinrichtung ein Selfie mit einem Flüchtling. © Picture Alliance
Merkel und Putin 2017: Die damalige Vertrautheit ist Ernüchterung gewichen. © pa
November 1998: Angela Merkel ist gerade Generalsekretärin der CDU geworden. © pa
1991: Merkel mit ihrem Mentor, Bundeskanzler Helmut Kohl. Merkel ist zu der Zeit Bundesfrauenministerin. © pa
Oktober 2005: Die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) mit Wolfgang Schäuble bei der Vorstellung des neuen Kabinetts der Großen Koalition in Berlin. Schäuble galt als enger Vertrauter Merkels. © Picture Alliance
Später Dank aus Bayern: Markus Söder verleiht Angela Merkel 2023 den Bayerischen Verdienstorden. © Picture Alliance
Berlin – Die Ära Angela Merkel: Gefühlt scheint sie eine kleine Ewigkeit her zu sein. Dabei hat die einst mächtigste Frau der Welt erst vor zweieinhalb Jahren die Bühne im Kanzleramt verlassen. Öffentlich tritt sie seitdem kaum noch auf und äußerst sich selten politisch. Das Gefühl der Entfremdung zu ihrer CDU ist noch stark und die Partei hat sich in vielen Linien von Merkels früherem Kurs abgewandt. Zu ihrem 70. Geburtstag heute gibt es kritische wie auch versöhnliche Worte.
Ihr Ex-Minister Jens Spahn, heute Vizechef der Fraktion, zieht eine zwiespältige Bilanz von der Kanzlerschaft. In drei Fragen würde die Union mit dem Wissen von heute anders entscheiden, sagt der frühere Bundesgesundheitsminister dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die massenhafte irreguläre Migration seit 2015 hat die deutsche Gesellschaft destabilisiert und überfordert.“ Als im Spätsommer 2015 vor allem syrische Flüchtlinge über Ungarn und Österreich nach Deutschland kamen, entschied Merkel, die deutschen Grenzen nicht zu schließen. Spahn sagt weiter: „Mit Putins Russland hätten wir spätestens ab 2014 ganz anders umgehen müssen.“ Allerdings habe sich Merkel – anders als seiner Meinung nach die SPD – über Wladimir Putins wahren Charakter keiner Illusion hingegeben. „Und der Ausstieg aus der Kernenergie war im Rückblick auch klimapolitisch ein schwerer Fehler.“
In der ersten Hälfte ihrer Kanzlerschaft habe Merkel aber viel erreicht, so Spahn. Sie habe das Rentensystem stabilisiert und die Rente mit 67 eingeführt, die Finanzkrise gemeistert, die Forschungsausgaben verdoppelt und die Jugendarbeitslosigkeit halbiert. „Unter Merkel gab es den längsten Aufschwung in der Geschichte der Bundesrepublik“, glaubt Spahn. Die Union habe mit Merkel an der Spitze viele Wahlsiege errungen, 2013 fast die absolute Mehrheit.
Spannend sind die Glückwünsche aus Bayern – von Ministerpräsident Markus Söder, dessen CSU sich heftig mit Merkel stritt, der aber auch gegen Widerstände eine Art Versöhnung durchsetzte. Söder nennt Merkel jetzt „die bedeutendste lebende politische Persönlichkeit in Deutschland“. In der Migrationskrise hatte es ein tiefes Zerwürfnis zwischen Merkel und Söders Vorgänger Horst Seehofer gegeben. In einer CSU-Klausur drohte ihr einer von Seehofers Ministern, es brauche jetzt „einen anderen Kurs – oder eine andere Kanzlerin“.
Die CSU und Merkel hätten zu Beginn ein wechselhaftes Verhältnis gehabt – „das galt auch für mich“, räumt heute Söder ein, gerade mit Blick auf die Migrationspolitik. „Aber während der Corona-Pandemie hat sich bei mir alles geändert.“ Er habe „höchsten Respekt davor, wie Angela Merkel unser Land beschützt hat“. Es habe sich da ein starkes Vertrauensverhältnis entwickelt. „Und ich habe viel gelernt von ihr. Wir haben uns damals oft geschrieben“, sagt Söder.
Es waren wohl spezielle Handy-Dialoge. „Auf meine Fragen kamen häufig echte ,Konfuzius-SMS‘, wie zum Beispiel: In der Ruhe liegt die Kraft.“ Die spätere Einladung an den Chiemsee Mitte Juli 2020, die legendären Bilder mit Schifferlfahrt und Kutsche, „war auch ein Dankeschön und eine Wiedergutmachung dafür, dass wir es ihr als CSU nicht immer leicht gemacht haben“. Gegen Kritik von Parteifreunden setzte Söder die Verleihung des Verdienstordens an Merkel durch. Und Horst Seehofer? Der sagte neulich in einem Interview kühl, er habe zu Merkel keinen Kontakt mehr. Zum Buch, das sie derzeit schreibt und in Kürze veröffentlicht, sagt Seehofer: „Ich muss da überhaupt nicht drin vorkommen.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geht es sehr staatstragend an. Er würdigt Merkel als „Vorbild und ein Markenzeichen unserer Demokratie“. „Das Besondere an Ihrem Jubiläum ist, dass sich Ihre 70 Lebensjahre in genau zwei Hälften teilen lassen. In die ersten 35 Jahre bis zum Fall der Mauer und in die zweiten 35 Jahre in der ersehnten Freiheit“, schreibt Steinmeier. Merkel habe in den zweiten 35 Jahren den Weg des vereinten Deutschland entscheidend geprägt. Merkel habe überzeugt, „weil sie aus eigener Erfahrung umso besser wusste, welchen unschätzbaren Wert das Leben in einer freiheitlichen Demokratie hat“. Merkel war vom 22. November 2005 bis zum 8. Dezember 2021 Kanzlerin. Steinmeier war unter Merkel zweimal Außenminister: von 2005 bis 2009 und dann wieder von 2013 bis 2017.
Die frühere Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), findet warme Worte. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte Dreyer: „Ich wünsche ihr, dass sie auch mit Stolz auf ihre Amtszeit zurückschaut.“ Sie wünsche Merkel, „dass sie ihre Träume wahr machen kann, Zeit für die Dinge findet, die sie sich immer gewünscht hat“. Merkel und Dreyer hatten ein gutes Verhältnis. Bei der dramatischen Flut im Ahrtal 2021 entstand bei Merkels Besuch vor Ort ein Foto, auf dem die beiden Frauen sich an den Händen halten. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken attestiert Merkel ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen. „Besonders beeindruckt mich ihre besondere Gabe, im Umgang mit Menschen das Verbindende zu suchen und die tieferen Beweggründe des anderen zu verstehen.“
61 Prozent der Deutschen sind einer YouGov-Umfrage zufolge der Ansicht, dass sich die Verhältnisse in Deutschland seit dem Ende von Merkels Kanzlerschaft negativ entwickelt haben. Nur ein Viertel meint, sie seien gleich geblieben. Eine Mehrheit derer, die eine Verschlechterung sehen, begründet dies zumindest in Teilen mit der Arbeit der Ampel. 28 Prozent nennen die „schlechte Regierung“ von Kanzler Olaf Scholz (SPD). 15 Prozent sehen äußere Faktoren als Ursache. Für mehr als die Hälfte spielt beides eine Rolle. Das Institut fragte online 2030 Wahlberechtigte.
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