Blick hinter den Zaun: Die Baugrube ist das Herzstück der Arbeiten für die 2. Stammstrecke und den neuen Hauptbahnhof.
Die Heilige Barbara steht auf Ebene 1 der Baustelle. Sie ist die Schutzpatronin der Tunnelbauer.
Noch sieht man nur Stahlgeflechte: Die Armierungen für die neuen Betondecken sind zum Teil schon fertig.
Projektingenieurin Anna Prieß mit Plänen des neuen Hauptbahnhofs. 48 Meter tief führt die sechste Ebene nach unten.
Die verschiedenen Ebenen sind bereits gut zu erkennen. Über Durchbrüche wird Material transportiert.
Das provisorische Bahnhofsgebäude an der Bayerstraße. © Grafik: Deutsche Bahn
Technikleiter Jörg Müller von der Bahn steht an der Stelle, an der der neue Zugang zur U4/U5 entsteht. © Alle Fotos: Jens Hartmann
Auf dem Querbahnsteig vor den Gleisen sind Stahlgerüste für das Zwischendach verankert.
München – Seit mehr als sieben Jahren wird an der 2. Stammstrecke schon gebaut. Langsam bekommt das Projekt auch am Hauptbahnhof Konturen. Die Arbeiten sind hier besonders kompliziert, weil die Bahn parallel auch das Bahnhofsgebäude von Grund auf neu baut. Allein das kostet über eine Milliarde Euro. Beim Baustellenrundgang erklären die Projektleiter, was sie in den nächsten Jahren vorhaben.
■ Die Südseite
Auf der Südseite des Bahnhofs hat die Bahn soeben den neuen Südeingang eröffnet. Der alte Eingang östlich davon ist nun verschlossen. Die Bahn benötigt die Flächen, um das sogenannte Vorhaltebauwerk für die U-Bahn-Linie U9 zu bauen. Es ist letztlich ein Bahnhof im Rohbauzustand. Er kommt genau dort in den Untergrund, wo heute die Fahrgäste vom Hauptbahnhof zur U4/U5 hinuntergehen.
Zusatzproblematik: Neben dem jetzigen U-Bahn-Zugang liegt ein Bunker aus dem 2. Weltkrieg, Baujahr 1941/43. „Die Wände sind 3,10 Meter dick“, sagt Projektleiter Frank Gebhart. Das unterirdische Bauwerk aus massivem Beton wird nur dort entfernt, wo es die Bauarbeiten für die U9 stört. Und der Rest? „Wir überlegen, einen Teil als Regenrückhaltebecken zu nutzen“, sagt Gebhart. „Wir haben ja 10000 Quadratmeter Dachfläche am Hauptbahnhof, und das Regenwasser muss irgendwohin abgeleitet werden.“
■ Der Interimsbahnhof
München bekommt einen neuen Bahnhof – den „Interimsbahnhof Hybrid“. Vielleicht findet sich ja noch ein schönerer Name, aber das steht für Projektleiter Matthias Gries nicht im Vordergrund. Er plant den Bau dieses provisorischen Bahnhofsgebäudes, das auf der Fläche zwischen U9-Baustelle und dem Hotel „Sofitel“ entstehen wird. Los geht‘s in diesem Jahr, schon 2026 soll der neue Bahnhof stehen. Das geht so schnell, weil das viergeschossige Gebäude weitgehend aus Fertigteilen errichtet wird. Kein Schmuckstück wahrscheinlich – aber zweckmäßig: Hier werden Reisezentrum, DB Info und Fundbüro untergebracht. Auch die Bundespolizei erhält Räume. Der Bahnhof müsse ja „24/7“ betriebsbereit bleiben, sagt ein Bahnmitarbeiter im schönsten Neudeutsch. Nach etwa zehn Jahren kommt der Interimsbahnhof, der allein 20,7 Millionen Euro kostet, wieder weg. Die Fertigteile sollen vielleicht wiederverwendet werden.
■ Die Stahlgerüste
Wer den Hauptbahnhof betritt, sieht es sofort: Überall auf dem Querbahnsteig vor den Gleisen sind riesige Stahlgerüste im Boden verankert. Sie sind nötig, um in etwa sechs Metern Höhe eine Art Zwischendach einzuziehen. Dann können unten gefahrlos Fahrgäste gehen, während oben gearbeitet wird. Denn das sogenannte MAN-Dach über dem Querbahnsteig – benannt nach dem Erbauer von 1949, der Firma MAN – muss abgerissen werden. Das ist technisch schwierig, weil das Dach mit den massiven Stahlträgern so groß ist wie dreieinhalb Handballfelder, 20 mal 140 Meter. Projektleiter Andreas Tröger sieht es sportlich und ist auch ein bisschen stolz: „Es ist eine einmalige Gelegenheit, so ein großes Projekt zu managen.“ Übrigens: Das Dach über der Bahnhofshalle bleibt, es ist denkmalgeschützt.
■ Herzstück Baugrube
Hinter dem meterhohen Bauzaun am Bahnhofsplatz verbirgt sich das Herzstück der Baustelle: die Baugrube. Projektingenieurin Anna Prieß führt mit Warnweste, Helm und Stirnlampe nach unten. Eine steile Treppe, vorbei an einer Statue der Heiligen Barbara, Patronin der Tunnelbauer, dann steht man auf der Ebene 1, dem späteren ersten Tiefgeschoss, und blickt nach unten.
22 Meter tief ist die Baugrube jetzt, die dritte Zwischenebene des späteren Stammstreckenbahnhofs ist fast fertig ausgeschachtet. Insgesamt sollen sechs Ebenen entstehen, die letzte in 48 Metern Tiefe. Die Zwischendecken sind mehrfach durchbrochen, die Bauleute nennen es „Canyons“. Durch sie soll später „ähnlich wie beim Berliner Hauptbahnhof das Tageslicht von oben bis nach ganz unten durchscheinen“, sagt Prieß. Zunächst aber dienen diese Aussparungen als Logistiklöcher. Durch sie wird per Kran Baumaterial nach unten befördert – auch mal ein ganzer Bagger – und Aushubmaterial nach oben. Die Erde glänzt lehmig, „schlufig-tonig“, sagen die Geologen.
Beim Zeitplan will sich die Ingenieurin nicht festlegen: Mit dem Bau der Ebene 4 soll im September begonnen werden, 2026 könnte man auf Ebene 6 angelangt sein, rechnet sie vor. Dann könnte die Tunnelbohrmaschine installiert werden – und die Bahn endlich mit dem Bau der S-Bahn-Röhren anfangen, fast zehn Jahre nach dem Spatenstich.