Von alten Römern und bayerischen Obstdieben

von Redaktion

Ein Holzschnitt von 1502 zeigt Obstbauern bei der Arbeit © pa

Vermutlich ist der Begriff Streuobst in den 1950er-Jahren entstanden, als von „Obst in Streulage“ die Rede war. Gemeint war damit die scheinbar zufällige Anordnung der Obstbäume auf den Wiesen, die wie verstreut aussahen. Eine andere Theorie geht davon aus, dass auf den Wiesen Streu (Mahdgut als Einstreu für die Tierhaltung) und Obst gewonnen wurden und dass der Name daher kommt.

Wer hat’s erfunden?

Die Römer haben den Obstanbau samt veredelter Sorten nach Deutschland gebracht. Die ersten Obstgärten hierzulande entstanden am Rande römischer Villen. Schon damals waren 36 Apfel- und 60 Birnensorten bekannt. Erfunden haben die Römer den Obstbau aber ehrlicherweise nicht. Ihr damals schon sehr umfangreiches Wissen wurzelte in den noch älteren Obstbau-Traditionen des Zweistromlandes, also dem vorchristlichen Mesopotamien (heute Syrien und Irak) mit seinen Flüssen Euphrat und Tigris.

Strafen für Diebe

Wie wichtig bereits im frühen Mittelalter der Obstanbau war, lässt sich aus verschiedenen Gesetzestexten herauslesen, in denen Obstdiebe mit hohen Strafen belegt wurden. Besonders streng ging’s dabei in Bayern zu. Im Lex Baiuvariorum, dem Gesetz der Bayern aus dem 8. Jahrhundert, wurde der Obstbaumfrevel als gravierendes Vergehen angesehen. Dort heißt es: „Wenn einer einen fremden Garten aus Neid umgräbt oder Fruchtbäume aushaut, wo deren zwölf oder mehr standen, der büßt zunächst 40 Schilling.“ Außerdem musste der Übeltäter die Bäume neu anpflanzen und so lange jährlich einen Schilling bezahlen, bis die Bäume wieder Früchte trugen.

Kulturerbe

Was haben die Passionsspiele in Oberammergau, die Tölzer Leonhardifahrt und Streuobstwiesen gemeinsam? Sie alle sind von der UNESCO als „Immaterielles Kulturerbe“ anerkannt. Der Streuobstanbau wurde 2021 in die Liste aufgenommen. In der Begründung heißt es: „Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gehen die Streuobstbestände in ganz Europa zurück. Damit schwindet nicht nur ein kultureller Erfahrungsraum für den Menschen, sondern auch ein ökologisch wertvoller Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten.“

Alte Schätze

Rund 6000 Obstsorten wachsen auf deutschen Streuobstwiesen, darunter auch viele historische Sorten, von denen bei manchen nicht mal mehr der Name bekannt ist. Im oberbayerischen Voralpenland gibt es seit 2019 das „Apfel-Birne-Berge“-Projekt, an dem auch Georg Loferer mitarbeitet. Ziel ist es, selten gewordene Obstsorten vor dem Aussterben zu bewahren. Bei seiner Suche wurde der Pomologe vor allem auf den Streuobstwiesen fündig. In den vergangenen zwei Jahren wurden 272 sehr seltene oder gar unbekannte Sorten in öffentlich zugängliche Erhaltungsgärten gepflanzt und so für die Nachwelt gesichert.
OSS

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