„Das tut Eisenbahnern weh“, sagt Martin Burkert, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). © dpa
Nicht nur die S-Bahn, auch andere Züge der Deutschen Bahn sind häufig unpünktlich oder fallen ganz aus. CDU-Chef Friedrich Merz hatte deshalb jüngst gefordert, das Angebot für den Bahnverkehr auszudünnen, um ihn zu stabilisieren. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert aus Nürnberg ist seit 2022 Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG, die der Lokführer-Gewerkschaft GDL in inniger Abneigung verbunden ist. Im Interview kontert er den Vorschlag von CDU-Chef Merz.
Herr Burkert: Wo muss man ansetzen, damit die Bahn besser wird?
Die Infrastruktur der Bahn war über Jahrzehnte unterfinanziert, da möchte ich keine Partei und keinen Verkehrsminister ausnehmen. Bundesverkehrsminister Wissing hat jetzt erstmals der Schiene mehr Geld gegeben als der Straße. Trotzdem reicht es nicht. Wir haben Stellwerke, die 100 Jahre alt sind. Eine umfassende Sanierung, wie jetzt zum Beispiel der Hochleistungskorridore, ist der einzige Weg, um aus der Krise zu kommen.
Ist diese Sanierung bezahlbar?
Bereits die Sanierung der zweiten Strecke Hamburg–Berlin, die von August 2025 bis April 2026 geplant ist, steht immer noch auf wackligen Füßen. Finanziert ist sie erst, wenn der Bundestag den Bundeshaushalt für 2025 verabschiedet hat. Wie die Sanierung der weiteren Hochleistungskorridore ab 2027 finanziert wird, ist im Moment noch offen. Die Ausschreibung der Bauleistungen muss aber spätestens nächstes Jahr erfolgen. Da darf es keine Verzögerung geben.
CDU-Chef Merz hat vorgeschlagen, Bahnstrecken auszudünnen, um den Verkehr zu stabilisieren und pünktlicher zu machen. Stimmen Sie zu?
Die Menschen wollen Bahn fahren, dafür braucht es eine zügige Sanierung der Schiene und finanzielle Planungssicherheit. Wer jetzt das Zug-Angebot ausdünnen möchte, macht es sich also zu einfach. Stattdessen kann man darüber nachdenken, vorübergehend das Tempo der ICE auf alten, störanfälligen Strecken zu reduzieren. Dann kommt man zu längeren Fahrzeiten, es würde aber helfen, einen stabilen Fahrplan herzustellen, auf den man sich verlassen kann. Wir hatten im Juni nur noch 55 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr, das tut Eisenbahnern weh.
Die Ampel verspricht im Koalitionsvertrag die Verdoppelung der Fahrgastzahlen im Fernverkehr, von 140 auf 280 Millionen im Jahr bis 2030. Sollte man nicht ehrlich sein und sagen: Das ist nicht zu schaffen?
Sicher, es ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Aber ich würde es zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufgeben. Mir macht allerdings Sorge, dass der Bund die Trassenpreise im Fernverkehr 2025 um über 18 Prozent erhöhen will. Wenn das so kommt, werden die Fahrpreise steigen – und die Fahrgastzahlen eher zurückgehen, statt zu steigen.
Stichwort Deutschlandticket – ist eine Preiserhöhung unausweichlich?
Wir fordern, dass das Deutschlandticket erhalten bleibt, auch zum Preis von 49 Euro, möglichst auch 2025. Es ist unerträglich, dass sich Bund und Länder dauernd um die Finanzierung streiten. Eine Preiserhöhung wäre kontraproduktiv. Wir sind dafür, ein deutschlandweites Sozialticket zusätzlich einzuführen.
Der Güterverkehr von DB Cargo ist in der Krise, macht Defizite in dreistelliger Millionenhöhe. Wie gelingt die Trendwende?
Ein Grund für die Defizite sind auch hier die hohen Trassenpreise, die im nächsten Jahr noch einmal steigen sollen, speziell im Güterverkehr um 16 Prozent. Wir fordern das Gegenteil: Die sogenannte Schienenmaut muss halbiert werden. Davon würden alle Güterbahnen profitieren, DB Cargo hat ja nur noch einen Marktanteil von 39 Prozent. Von dem Ziel, bis 2030 25 Prozent der Gütermenge auf die Schienen zu bringen, spricht niemand mehr. Derzeit sind es nur 19 Prozent.
Dennoch stellt sich die Frage nach der Verantwortung von DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Sollte sie gehen?
Wir haben in den letzten Wochen mit dem Vorstand sehr harte Auseinandersetzungen zur Zukunft der DB Cargo geführt und es finden noch Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat statt. Ich bin froh, dass die Auslagerungs- und Abbaupläne durch unseren Druck verhindert werden konnten. Die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens hängt auch vom Verlauf der Verhandlungen ab und dem weiteren Umgang in der Sozialpartnerschaft.