Professor Bernhard Meyer vom Rechts der Isar. © Falk Heller/RDI
Glücklich vereint: Gerhard und Silvia Ebenkofler mit ihren Kindern Franziska und Simon. © Foto: privat
Das Schlimmste ist überstanden: Gerhard Ebenkofler mit Frau Silvia und Professor Markus Krane. © Dr. Elda Dzilic/Deutsches Herzzentrum
München – Die Krankenakte von Gerhard Ebenkofler liest sich wie das Protokoll eines besonders schlimmen Albtraums, an den man sich lieber nicht erinnern möchte: zunächst schwere Entzündungen an der Hals- und an der Lendenwirbelsäule, eine Herzklappe von Bakterien zerfressen und unbrauchbar, die andere defekt, dann Nierenversagen, eine Lungenentzündung und eine Hirnblutung, dazu extremer Muskelabbau. Fünf große Operationen und ein Luftröhrenschnitt, fast vier Monate in Krankenhäusern, davon mehrere Wochen beatmet und betäubt: Um nach einem solchen Horrortrip ins Leben zurückzukehren, muss man schon einen unbändigen Kampfgeist, am besten gleich mehrere Schutzengel und mehrere sehr gute Ärzte haben. „Gott sei Dank war das bei mir so“, sagt der 59-Jährige aus Steinhöring bei Ebersberg. „Sonst wäre dieser Albtraum vielleicht anders ausgegangen und ich heute gar nicht mehr hier.“
Der dramatische Fall ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer kranke Patienten in München von der fachübergreifenden Zusammenarbeit auf höchstem medizinischen Niveau profitieren. Mit der Gründung des TUM Klinikums soll die Zusammenarbeit weiter gestärkt werden. Anfang August nimmt das Netzwerk offiziell seine Arbeit auf (siehe Kasten).
Am Anfang war es nur ein Unwohlsein – dann ging es schnell
Gerhard Ebenkofler hat von der Ärzte-Allianz profitiert. Seine Familie ist überglücklich – und dankbar. „Die Mediziner haben Hand in Hand gearbeitet“, berichtet Ehefrau Silvia (55). „Es war beeindruckend zu erleben, wie gut vernetzt sie sind.“ Auch dadurch haben Tochter Franziska (22) und Sohn Simon (25) ihren Papa zurück, und Hund Lucky kann endlich wieder mit seinem Herrchen Gassi gehen. „Es geht mir relativ gut und jeden Tag ein bisserl besser“, erzählt Gerhard Ebenkofler. Das ist nicht selbstverständlich – wenn man bedenkt, was der Radio- und Fernsehtechnikermeister und Haustechniker in den vergangenen Monaten durchgemacht hat.
Rückblende: Als Ebenkofler am Freitag von der Arbeit nach Hause kommt, fühlt er sich nicht wohl, am nächsten Morgen dann einfach nur hundeelend. Er hat Schüttelfrost, Fieber und unerträgliche Rückenschmerzen. „Ich bin kaum aus dem Bett gekommen und habe den Notdienst angerufen.“ Der Arzt gibt ihm eine Spritze, sagt augenzwinkernd: Das Schmerzmittel ist so stark, dass es ein Pferd umhaut. „Aber es hat nicht geholfen“, erinnert sich der 59-Jährige.
Die Beschwerden lassen einfach nicht nach, deshalb wird er am Donnerstag von seinem Hausarzt in die Kreisklinik Ebersberg überwiesen. Dort erkennt Chefarzt Professor Martin Schmidt sofort den Ernst der Lage, ordnet Antibiotika-Infusionen an und organisiert die Verlegung des Patienten ins Deutsche Herzzentrum nach München. Im Gepäck hat Ebenkofler eine niederschmetternde Diagnose: bakterielle Infektion mit Streptokokken, die eine seiner vier Herzklappen bereits regelrecht zerfressen haben. Mediziner sprechen von einer schweren Mitralklappenendokarditis.
Außerdem stellt sich heraus, dass die Trikuspidalklappe undicht ist. „Bei Herrn Ebenkofler war ein Eingriff mit der Herz-Lungen-Maschine zwingend erforderlich“, berichtet Professor Markus Krane. Doch dem Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie sind zunächst die Hände gebunden. Denn zu allem Überfluss leidet sein Patient auch noch an einer Spondyldiszitis – einer bakterielle Entzündung, von der sowohl Wirbelkörper (Spondylen) als auch dazwischenliegende Bandscheiben (Disci) befallen sind. „Diese Keimherde mussten vor der OP an der Herzklappe unbedingt entfernt werden, um einer erneuten Infektion nach dem Eingriff vorzubeugen“, erklärt Krane. „Es war ein Schock für mich“, erinnert sich Ebenkofler.
Aber nur in Teamarbeit können die Uni-Mediziner das Leben ihres Patienten retten. Deshalb kontaktiert Krane seinen Kollegen Professor Bernhard Meyer aus dem Klinikum rechts der Isar. Der Direktor der Klinik für Neurochirurgie und sein Team operieren Ebenkofler insgesamt dreimal, um infizierte Bereiche sowohl an seiner Lenden- als auch an der Halswirbelsäule zu entfernen. Um die Wirbelsäule zu stabilisieren, wird sie an den betroffenen Stellen versteift. „Dabei werden die Wirbelkörper verschraubt und zusätzlich Materialien eingesetzt, um die Wirbelsäule zu stützen und eine dauerhaft feste Verbindung zwischen den Wirbeln zu erzeugen“, erläutert Meyer.
Nach den erfolgreichen Rücken-Operationen übernehmen wieder die Spezialisten im Herzzentrum. „Wir haben die Mitralklappe durch eine sogenannte biologische Prothese ersetzt. Dabei handelt es sich um eine künstliche Herzklappe aus Gewerbe vom Rind. Während des Eingriffs wurde auch die undichte Trikuspidalklappe repariert“, berichtet Herzchirurgie-Chef Krane. In einem weiteren, kleineren Eingriff wird später ein Bluterguss beseitigt.
Es folgen bange Tage, denn Ebenkofler bekommt nach der OP eine Lungenentzündung. Er muss weiter beatmet werden, braucht später einen Luftröhrenschnitt, um sich langsam wieder ans selbstständige Atmen zu gewöhnen. Dazu kommt eine kleinere Hirnblutung, die zum Glück keine Folgen hat. Die Nieren versagen vorübergehend ihren Dienst, der Patient muss an die Dialyse, also zur Blutwäsche.
Doch Spezialisten verschiedener Fachrichtungen aus dem Herzzentrum und aus dem Klinikum rechts der Isar arbeiten hartnäckig an allen Baustellen, um Ebenkofler wieder auf die Beine zu bringen. Dies ist im wahrsten Sinne des Wortes eine echte Herausforderung, weil der 59-Jährige durch die lange Zeit im Krankenbett viel Muskulatur verloren hat. „Wenn ich ein paar Meter gegangen bin, war das anfangs für mich wie ein Marathon, ich hatte danach heftigen Muskelkater.“
Aber Woche für Woche geht es bergauf, Lunge und Niere erholen sich, irgendwann braucht Gerhard Ebenkofler keine Dialyse mehr. Anfang Mai darf der 59-Jährige dann nach Hause nach Steinhöring – zurück in sein altes Leben, auch wenn es im Alltag noch ab und an etwas ruckelt. Der Familienvater kann schon etwas im Garten werkeln. Er freut sich darauf, bald wieder radeln zu dürfen. Und darauf, wieder in die Arbeit zu gehen. „Hinter mir liegt keine schöne Zeit, umso erleichterter schaue ich nach vorne“, sagt er.
Seine Frau freut sich auf die gemeinsame Zukunft mit ihrem Mann, ihren erwachsenen Kindern – wer weiß, vielleicht dürfen sie später auch gemeinsam ihre Enkelkinder aufwachsen sehen. In diesen Momenten denkt Silvia Ebenkofler oft an eine Arbeitskollegin, die von den Philippinen stammt: „Sie sagt immer zu mir: Wie schön, dass wir hier in Bayern leben. In meiner Heimat wäre dein Gerhard schon lange tot.“