Digitale Doubles: Sven Bliedung von der Heide steht im Volucap-Studio in Babelsberg und produziert über dreidimensionale Aufnahmen einen Avatar. © dpa
Berlin – Im vergangenen Jahr war Künstliche Intelligenz ein großes Thema beim Hollywood-Streik. Auch in Deutschland nutzen Produktionsfirmen die Technologie. Wie weit ist KI hier angekommen? Und: Gibt es Grund zur Sorge?
Es klingt wie Science-Fiction: Avatare von Darstellern tauchen in Liebesfilmen, Komödien oder Actionstreifen auf. In Potsdam-Babelsberg ist das schon ein Stück weit Realität – zumindest im sogenannten Volucap-Studio. Hier werden Menschen eingescannt, deren digitale Klone dann etwa als Hintergrundkomparsen angeboten werden. Zentral dabei: Künstliche Intelligenz (KI).
Nicht nur in Hollywood, auch in Deutschland ist KI in Tarifverhandlungen ein großes Thema. Sven Bliedung von der Heide, Gründer des Volucap-Studios, spricht von einer „KI-sierung“ der Branche. KI kam hier schon bei Szenen für den Hollywood-Blockbuster „The Matrix Resurrections“ (2021) mit Keanu Reeves zum Einsatz. Damals hatte das Volucap-Team extra ein Unterwasser-Studio installiert und auch sogenannte Deepfakes von Schauspielern erstellt.
Die Arbeit im Volucap funktioniert dabei so: 42 Kameras scannen von allen Seiten eine Person ein – das Gesicht, ihre Bewegungen und den Rest des Körpers. Aus den Bilddaten wird mittels KI dann ein 3D-Avatar des Darstellers generiert. Für Bliedung von der Heide ein entscheidender Schritt für die Zukunft der Branche.
Viele Filmschaffende sind besorgt und wollen den Einsatz von KI mitgestalten. Ziel sei ein Tarifvertrag mit kürzeren Laufzeiten – und natürlich die Arbeit von Filmschaffenden zu erhalten, sagt Heinrich Schafmeister vom Bundesverband Schauspiel (BFFS). Er sitzt bei den Verhandlungen mit am Tisch. „Wir gehen momentan die Fälle durch, die durch KI eintreten könnten – sowohl für Filmschaffende vor als auch hinter der Kamera.“ Unter anderem gilt es, die digitalen Replikate, also Avatare, arbeitsrechtlich zu regeln. Für Schauspieler sei dies eine „höchst problematische Geschichte“, sagt Schafmeister. Sie wollten nicht zu Marionetten von KI degradiert werden. „Wir versuchen jetzt im Bereich Film/Fernsehen sozusagen vor die Welle zu kommen, aber im Synchronbereich sind wir schon hinter der Welle.“ Denn dort würden menschliche Akteure immer mehr ersetzt. „Die Entwicklung in der Synchronbranche triggert alle anderen, denn Schauspieler machen im Prinzip ja auch alles: Sie stehen auf der Bühne, drehen Filme, synchronisieren.“
Bliedung von der Heide und die Produktionsallianz verstehen die Sorgen, wie sie sagen. „Aber wer will bestreiten, dass in der Nutzung Künstlicher Intelligenz viele Chancen liegen? Es muss darum gehen, Rahmenbedingungen zu gestalten und die Kompetenzen der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken“, findet Björn Böhning, Vorstandssprecher der Produktionsallianz, die hunderte Produktionsfirmen in Deutschland vertritt. Bliedung von der Heide zufolge werden KI-Systeme im Film in den USA oder China ohnehin entstehen. Da wäre es schade, wenn Deutschland das Schlusslicht bilde.
Deutsche Produktionsfirmen sehen in KI Vorteile und nutzen sie. Zugleich müssten urheberrechtliche Fragen und der Schutz der kreativen Leistung geklärt werden, so ein Sprecher des Filmunternehmens UFA. Dort wird KI vor, während und nach der Produktion verwendet. Tools helfen dabei, Nummernschilder unkenntlich oder im Schnitt die Nachbearbeitung schneller zu machen. Auch bei Constantin Film wird KI umfänglich getestet. KI-Tools sollen laut Marcus Ammon, Geschäftsführer Content bei Bavaria Fiction, die Fähigkeiten von Mitarbeitern ergänzen, nicht ersetzen.
Einen ähnlichen Ansatz hat Taç Romey. Er ist Professor für Serielles Erzählen an der Hochschule für Fernsehen und Film in München und gibt dort Workshops, wie KI beim Schreiben von Drehbüchern helfen kann. Romeys Ansatz: „Wir treten mit der KI in einen Dialog, in einen Pingpong“. Er nehme nie eins zu eins die generierten Vorschläge, sondern lasse sich davon nur inspirieren. KI könne in vielerlei Hinsicht bei Drehbüchern helfen, etwa bei der sogenannten Logline, mit der eine Serienidee erzählt wird. Es gebe mittlerweile professionelle Programme, die beim Schreiben unterstützen könnten, so der Professor. Drehbuchautoren rät er, sich mit KI auseinanderzusetzen. „Es wird wichtiger und wichtiger, dass man die Tools beherrscht, weiß, wie man sie einsetzen kann.“
S. SZAMEITAT