… zwischendrin muss der 18-Jährige nachladen.
Ermittler durchsuchen am Abend in Österreich das Wohnhaus der Täters. © dpa
Dieses Auto lässt die Polizei vom Tatort abschleppen. © AFP
Der Attentäter nutzt ein historisches Gewehr …
Absperrung am Königsplatz: Polizisten sichern den Bereich rund um den Tatort. Im Hintergrund ist das NS-Dokumentationszentrum zu sehen. Ganz in der Nähe schoss der 18-jährige Österreicher mit einer historischen Waffe. © Oliver Bodmer
München – Eigentlich soll dieser Tag ein ruhiger werden, einer des Innehaltens. Genau 52 Jahre ist es her, dass hier in München palästinensische Terroristen elf Juden töteten. Das israelische Generalkonsulat, mitten in der Stadt gelegen, hat deshalb geschlossen, es soll Gedenkveranstaltungen geben. Doch früh am Morgen ist klar, dass dieser Donnerstag ganz anders verlaufen wird.
Emra I., 18 Jahre alt und wohl glühender IS-Fanatiker, ist aus seiner Heimat Salzburg nach München gereist, im Gepäck hat er ein Waffe aus Weltkriegszeiten. Zwischen NS-Dokumentationszentrum und Generalkonsulat liefert er sich mit seinem Repetiergewehr ein Feuergefecht mit den Standposten der Polizei. Die Beamten verfolgen den Angreifer, schießen, können ihn stoppen. Der junge Mann stirbt vor Ort an seinen schweren Verletzungen im Oberkörper. Sonst wird niemand verletzt.
„Ich will den Kollegen danken, die unter vollem Risiko gegen den Täter vorgegangen sind“, sagt Polizeipräsident Thomas Hampel später. Und das Risiko war enorm: Denn niemand kann um 9.12 Uhr, als das Feuer eröffnet wird, einschätzen, was der Täter bei sich hat: Sprengstoff, eine Bombe, vielleicht beides?
Deshalb nehmen die Einsatzkräfte, als der Angreifer zu Boden geht, Abstand. Während Hubschrauber kreisen, kommen immer mehr Polizeibusse und Panzerfahrzeuge zum Königsplatz. Schwer ausgerüstete Bereitschaftspolizisten sperren mit Maschinengewehren des Typs MP5 und SCAR in der Hand die Zufahrten ab. Die U-Bahn auf den betroffenen Strecken wird unterbrochen, das Gebiet abgesperrt.
Rund 500 Beamte sind in kürzester Zeit auf der Straße. Derweil nähern sich Terror-Experten vorsichtig dem Erschossenen. „Wir sind mit Spezialkräften an ihm dran“, sagt ein Polizeisprecher. Gleiches gilt für das Auto, mit dem der Heranwachsende von Österreich nach München gefahren ist. Im Gepäck die alte Waffe mit einem Bajonett und Munition.
Die Ermittler gehen von einem versuchten Terroranschlag auf das Konsulat aus. Auch wenn sie zum Motiv des Täters noch wenig sagen können – zu seiner Vorgeschichte würde es passen. Der junge Mann mit bosnischen Wurzeln ist den österreichischen Behörden bekannt. Vergangenes Jahr wurde gegen ihn ermittelt, wegen des Verdachts, dass er sich religiös radikalisiert hatte und für Sprengstoff und Waffen interessierte. Gegen ihn wurde ein Waffenverbot verhängt. Es galt bis 2028.
Vieles ist noch unklar. Zum Beispiel dies: Hat der Angreifer das Datum gewählt? Wusste er, dass das Generalkonsulat am Donnerstagmorgen gar nicht besetzt war – die Diplomaten und Angestellten nicht ins Büro kommen mussten. Oder war ihm dieser Umstand egal? Wollte er ein Zeichen setzen? Oder möglichst viele Menschen vernichten? Auf all diese Fragen gibt es, solange die Hintergründe der Tat unklar sind, keine Antworten.
Das Vorgehen des Österreichers wirkt auf den Videos, die sich schnell auf der Plattform X verbreiten, konfus. Nach den ersten Schüssen flüchtet Emra I. hinter das Gebäude des NS-Dokuzentrums. Dort gibt er einen weiteren ohrenbetäubenden Schuss mit dem altertümlichen Gewehr ab. Der Rückstoß haut ihn fast von den Füßen. Er geht schlaksig entlang der Mauer hin und her, lädt nach. Bis die mutigen Polizisten bei ihm sind, dauert es etwas. Dann geben die Beamten mindestens 30 Schüsse auf ihn ab. Der Angreifer wird niedergestreckt.
Am Abend wird sein Wohnort in Neumarkt am Wallersee (Salzburger Land) durchsucht. Die Familie soll dort gut integriert gewesen sein, heißt es. Laut dem Hauptimam der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Österreich war der Täter nie Mitglied einer Moschee im Nachbarland. Aus der muslimischen Gemeinschaft in Bayern gibt es eine sehr deutliche Stimme: „Verflucht seien all jene, die diesen jungen Mann dazu angestiftet haben, Waffen zu tragen, um Menschen zu töten“, sagt der Penzberger Imam Benjamin Idriz. „Wir müssen uns und unsere Kinder vor extremistischem Gedankengut schützen und deutlicher denn je unsere Stimme gegen diejenigen erheben, die versuchen, unsere schöne Religion zu missbrauchen. Diesem Wahnsinn stellen wir uns entschieden und entschlossen entgegen!“