Das Sorgenkind, das jeder liebt

von Redaktion

Die Kassen aus den 70er-Jahren haben Kultcharakter. Aber auch an ihnen nagt der Zahn der Zeit. © Max Wochinger

Wasem Ajmail steht am weltberühmten Zeltdach. Jedes der Kunststoffteile, sagt er, muss maßgefertigt werden. © mw

Der Olympiapark ist ein architektonisches Meisterwerk, für die Stadt aber auch ein sehr teures Erbe. © Foto: Hajo Dietz/Picture Alliance

München – Rund 78 000 Quadratmeter – so groß ist die Fläche des legendären Zeltdachs im Münchner Olympiapark. Und das muss in den nächsten Jahren erneuert werden. Auch andere Gebäude wie das Stadion und der Turm werden modernisiert. Es sind Sanierungsprojekte der Superlative, für die die Stadt viel Geld ausgeben muss. Doch die Erneuerung des Zeltdachs kann nicht weiter aufgeschoben werden, sagt Wasem Ajmail von den Stadtwerken München (SWM).

Ajmail ist stellvertretender Projektleiter für die Sanierung des Zeltdachs. Zuvor war er jahrelang technischer Leiter der Olympiapark GmbH, einer Tochter der Stadt München. Der Ingenieur kennt das Stadion und die anderen Gebäude wie seine Westentasche. Heute steht er neben der Olympiahalle und zeigt auf das Zeltdach: Die Plexiglasplatten und Gummipuffer sind mehr als zweieinhalb Jahrzehnte alt und müssen ausgetauscht werden.

„Die Kunststoffbestandteile des Zeltdaches verlieren mit der Zeit an Festigkeit“, erklärt Ajmail. Bei Wind werde das Zeltdach angehoben und wenn es schneit, drückt es der Schnee nach unten. „Bei Belastung könnten in Zukunft einzelne Elemente versagen“, sagt er – obwohl das im Moment noch keine Gefahr sei.

Zuletzt wurden die Elemente Mitte der 1990er-Jahre erneuert, damals war Ajmail schon dabei. „Die Platten sind jetzt über 25 Jahre alt. Und Kunststoff und UV-Strahlen vertragen sich nun mal nicht allzu gut.“ Deshalb wollen die SWM die drei mal drei Meter großen Platten austauschen. Insgesamt sind es 12 000 Stück. Im Herbst 2025 soll es losgehen; die Platten müssen maßgefertigt werden. Das könnten nur wenige Firmen, sagt Ajmail. Bis Oktober 2029 soll die Sanierung des gesamten Zeltdachs abgeschlossen sein. Die Kunststoffplatten sollen dann 25 bis 30 Jahre halten – bis zur nächsten Sanierung.

Die Erneuerung des Zeltdachs sei kompliziert und kostspielig, erklärt Ingo Trömer vom Münchner Baureferat. Denn das Dach sei eine einzigartige Konstruktion, für die es keine Standardlösungen gebe. „Jedes Bauteil muss speziell für das Dach angepasst werden.“ Dies habe weniger mit dem Denkmalschutz zu tun, sondern mit der ausgefeilten Konstruktionsweise und Statik, so Trömer. Der Olympiapark mit den Sportstätten und dem Turm steht seit 1998 unter Ensembleschutz. Dass der Denkmalschutz ein Problem für die Sanierung des Parks werden könnte, glaubt Trömer nicht.

Die Instandsetzung des ikonischen Zeltdachs ist das größte Projekt der kommenden Jahre – aber nicht das Einzige im 85 Hektar großen Olympiapark. Der wurde für die Olympischen Spiele 1972 auf dem Oberwiesenfeld errichtet, und nach mehr als 50 Jahren intensiver Nutzung sind die Bauten marode. Die Schwimmhalle wurde bereits umgebaut und die Olympiahalle saniert. Das ehemalige Radstadion wurde 2015 abgerissen und durch die Multifunktionshalle SAP Garden ersetzt. Dort spielen künftig die Basketballer des FC Bayern und die Eishockeyspieler des EHC Red Bull München.

Auch im Olympiaturm laufen derzeit Sanierungsmaßnahmen, bei denen technische Anlagen wie Aufzüge erneuert und der Brandschutz modernisiert werden. Bis Mai 2026 ist das höchste Gebäude der Stadt geschlossen. Und auch das weltberühmte Olympiastadion, in dem bis zu 72 000 Menschen Platz finden, ist ein Sanierungsfall. Die gesamte Gebäudetechnik wie Lüftung und Heizung wird ausgetauscht. In den vergangenen Jahren wurden bereits die Flutlichtanlage und die Toiletten auf der Gegentribüne erneuert. Bis September 2025 finden die Arbeiten bei laufendem Betrieb statt – dann wird das Stadion komplett geschlossen. Erst im Sommer 2027 soll es wieder für Besucher geöffnet werden.

Dass die Bauwerke saniert werden müssen, darüber sind sich alle Beteiligten einig – auch im Münchner Stadtrat. Doch über die Höhe der Kosten gibt es immer wieder Streit. Noch 2018 waren 109 Millionen Euro für die Sanierung des Stadions veranschlagt, nun sind es 85 Millionen Euro mehr, wie das Büro von SPD-Bürgermeisterin Verena Dietl mitteilt. Dietl ist auch Aufsichtsratsvorsitzende der Olympiapark GmbH. Ob es bei den Kosten von knapp 200 Millionen Euro bleibt, wird von vielen bereits wieder bezweifelt.

Noch heftiger explodieren die Ausgaben für die Sanierung des Zeltdachs. Eigentlich sollte sie 85 Millionen Euro kosten. Im vergangenen Jahr lag die Schätzung bereits bei rund 200 Millionen Euro, inzwischen geht die Olympiapark GmbH davon aus, dass die Kosten auf bis zu 280 Millionen steigen könnten. Nach Angaben der Verwaltung wird derzeit an einer aktuellen Kostenschätzung gearbeitet.

Die GmbH selbst kann nur wenig zu den Sanierungskosten beitragen. Im vergangenen Jahr konnte sie gut fünf Millionen Euro Gewinn erwirtschaften, 2022 waren es lediglich 700 000 Euro. Und die bekannten Bauten wie das Stadion oder die Halle werden von den Stadtwerken betreut – und die tragen auch die Kosten. SPD-Fraktionschefin Anne Hübner forderte deshalb in einer Sitzung der Vollversammlung im vergangenen Jahr einen Plan, wie künftig mehr Einnahmen erzielt werden könnten. Mit Open-Air-Konzerten allein sei es nicht getan, so die Münchner Stadträtin.

Jährlich bis zu zwölf Millionen Besucher im Olympiapark

Olympiapark-Chefin Dietl will „so schnell wie möglich an den Gewinn des letzten Jahres anknüpfen“, wie sie unserer Zeitung sagte (siehe unten). An den großen Shows wie der von US-Superstar Taylor Swift will sie festhalten – nach dem Umbau hofft sie außerdem auf viele Besucher. Schon jetzt kommen jährlich zehn bis zwölf Millionen Menschen in den Olympiapark, 4,5 Millionen Gäste zahlten im vergangenen Jahr Eintritt oder besuchten Veranstaltungen.

Dass der Olympiapark erhalten bleiben muss, ist für die Münchner eine Selbstverständlichkeit – trotz der komplizierten Sanierung und der hohen Kosten. Projektleiter Wasem Ajmail hält das Zeltdach für ein technisches Meisterwerk. „Und der Olympiapark ist ja eines der Wahrzeichen unserer Landeshauptstadt.“

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