Nach dem TV-Duell: Vorteil Harris

von Redaktion

Euphorisierte Harris-Fans verfolgen die Debatte. © AFP

Der Handschlag zu Beginn wirkte fast versöhnlich, doch das hielt nicht lange. © Saul Loeb/AFP

Die Mimik sagt alles: Kamala Harris provozierte ihr Gegenüber immer wieder erfolgreich. © Saul Loeb/AFP

Irgendwie ratlos: Donald Trump fand keinen Weg, mit der Debatten-Taktik der Demokratin klarzukommen. © Saul Loeb/AFP

Washington/Philadelphia – Philadelphia, das Epizentrum des heiß umkämpften Bundesstaates Pennsylvania, war am Dienstagabend die bisher wichtigste Bühne im Leben der US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Denn wer Pennsylvania bei der Wahl am 5. November gewinnt, hat beste Chancen, es ins Weiße Haus zu schaffen. Und beim 90-minütigen TV-Duell mit Donald Trump musste Harris zeigen, dass sie vor einem Millionenpublikum nicht nur staatsmännisch wirken, sondern dem aggressiven Donald Trump auch Paroli bieten kann. Wie entscheidend TV-Debatten sein können, wusste Harris ja aus erster Hand. Im Juni hatte sich ein altersschwacher Joe Biden um Kopf und Kragen geredet – und wurde wenig später durch Harris ersetzt.

Am Ende des Abends, der mit einem Handschlag begann, gab es dann bei den zunächst besorgten Demokraten nur strahlende Gesichter. Harris hatte sich so gut geschlagen, dass ihr Team nur Minuten nach Debattenende eine zweite TV-Debatte im Oktober vorschlug. Trump ließ nur ausrichten, man prüfe das. Doch ein zweiter schlechter Abend so kurz vor dem Wahltag dürfte für den undiszipliniert und oft abschweifend argumentierenden Trump gefährlich sei.

Denn die in Debatten unerfahrene Demokratin zeigte nicht nur enorme Detailkenntnis in allen von den Moderatoren angesprochenen Themen, sondern zog sich auch geschickt und eloquent aus der Affäre, als es um ihre Mitverantwortung für die bisherige Regierungspolitik und das wahltaktische Wechseln politischer Positionen ging. „Ich bin nicht Joe Biden und schon gar nicht Donald Trump“, lautete eine ihrer Kernaussagen, die der Republikaner unerklärlicherweise erst in seiner Schlussbemerkung kritisch hinterfragte. Bei den wichtigsten Themen konnte Harris mehr punkten als Trump.

Thema Wirtschaft: Die erste Frage der Moderatoren, die an Faktenchecks während der Debatte kaum Interesse zeigten, zielte auf die Wirtschaftslage. Ob denn das Land heute besser dran sei als vor vier Jahren? Es war einer der wenige Momente, in denen Harris bewusst auswich, weil ihr die stark gestiegenen Preise keine überzeugende Antwort erlaubten. Stattdessen sprach die Demokratin über einen neuen Plan für Amerikas Mittelklasse, der für Jungunternehmer und Familien mit Kindern Steuergutschriften bedeuten soll. Trump wiederum verwies darauf, dass Biden und Harris in Sachen Jobs vor allem von der Erholung nach Corona profitiert hätten. Auch hinterließ Trump eine niedrige Inflationsrate, die dann erst unter den Demokraten auf bis zu 9,1 Prozent hochgeschnellt war. Vorteil Trump also.

Thema Abtreibung: Hier liegt die Stärke eindeutig auf Seiten von Harris. Trump verstieg sich in unbewiesene und absurde Behauptungen wie diese: Tim Walz, der Vizepräsidentschaftskandidat von Harris, sei wie auch andere Demokraten für eine Tötung von Babys nach der Geburt. Trump benutzte hier sogar den Begriff „Exekution“. Dem widersprach auch die TV-Moderatorin. Harris wiederum argumentierte, Trump wolle einen nationalen Abtreibungsbann – was Trump jedoch bestritt. Vorteil Harris.

Thema Einwanderung: Unter Biden und Harris hat die Zahl der illegal ins Land geströmten Migranten, wie die Moderatoren korrekt feststellten, Rekordhöhen erreicht. Harris gab Trump die Schuld daran, weil die Republikaner im Kongress durch sein Einwirken in diesem Jahr ein Migrationsgesetz abgelehnt hatten. Trump verpasste eine große Chance: Immer wieder klarzumachen, dass Biden und Harris dreieinhalb Jahre lang eine Politik der ungesicherten Südgrenze betrieben haben. Stattdessen wütete Trump zunächst gegen kriminelle Migranten, die in einer Stadt in Ohio sogar die Haustiere von US-Bürgern verspeisen würden – eine unbewiesene Polemik. Erst später fragte er, warum die US-Regierung an der Grenze nicht früher gehandelt habe. Am Ende profitierte Harris erneut von der Disziplinlosigkeit ihres Gegners, obwohl sie in diesem Punkt angreifbar ist. Vorteil Harris also.

Thema Kriege in Gaza und der Ukraine: Trump behauptete weiter beharrlich, unter ihm hätte es beide Konflikte erst gar nicht gegeben. Sie seien nur der Schwäche der Biden-Regierung zuzuschreiben. Außerdem verurteilte er die Milliardenhilfen von Biden und Harris für den Iran. Doch auch hier wirkte Trump unkonzentriert und unpräzise. Und auf das Argument von Harris, er habe eine Vorliebe für Diktatoren wie Kim Jong-un und Wladimir Putin, antwortete er nicht direkt. Harris warf Trump vor, international eine Lachnummer zu sein. Die Nato-Verbündeten seien dankbar, dass Trump nicht mehr Präsident sei, sagte sie. „Andernfalls würde Putin in Kiew sitzen und den Rest Europas im Visier haben, angefangen mit Polen.“ Putin würde Trump „zum Mittagessen verspeisen“. Vorteil Harris.

Auch wenn die Debatte eindeutig zu ihren Gunsten ausging, wie auch eine Umfrage zeigt (siehe Grafik), ist noch nichts ausgemacht. Bis zur Wahl sind es noch acht Wochen. Keine Ewigkeit, aber Zeit genug, wenn es darum geht, Fehler zu machen. Es ist schwer vorstellbar, dass die Demokratin die verbleibenden Wochen ohne Stolperer übersteht. Noch dazu, weil sie in ihrer bisherigen Rolle als Vizepräsidentin viel patzte und wenig punktete. In Umfragen sieht es zudem weiter nach einem extrem engen Rennen aus. Es kommt jetzt auf jede Stimme an.

Hinzu kommt: Auch nach der Debatte ist vielen Wählern noch unklar, was von Harris zu erwarten ist. In einer aktuellen Umfrage gaben 28 Prozent der Befragten an, sie wüssten nicht genug über die Demokratin – bei Trump lag der Wert bei 9 Prozent. Für sie ist das durchaus ein ernstes Problem.

Trump, der sich trotz allem für den Sieger des Duells hielt, kann sich nach wie vor auf die Unterstützung vieler Wähler verlassen. Seine Fans halten zu ihm, was auch passiert. Trump und Harris bleibt in den kommenden Wochen nur, sich beim Stimmenfang auf Unentschlossene zu konzentrieren.

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