Anpassung: Eine Mauer gegen das Wasser. © dpa
München – In Tirol rücken die Jahreszeiten gerade besonders nah zusammen. Letzte Woche konnte man sich dort noch bei um die 30 Grad in die Sonne legen – jetzt, wenige Tage später – liegt bei den Nachbarn bis zu einem Meter hoch der Schnee. Das ist nicht nur wegen der Jahreszeit Mitte September ungewöhnlich, sondern vor allem wegen des abrupten Wechsels. Man schwappt von einem Wetterextrem ins nächste.
Immer öfter zeigt sich, wovor Klimaexperten seit Langem warnen: Wetterextreme nehmen zu. Dürren, lang anhaltende Hitzeperioden oder heftiger Starkregen wie am Wochenende. Die Überschwemmungen in Osteuropa sind tragisch, passen aber ins Bild. Künftig, sagen Forscher, könne es wegen des Klimawandels auch zu Ereignissen kommen, die es in der jüngeren Vergangenheit noch gar nicht gegeben habe.
Viele Phänomene mögen paradox wirken, sind aber leicht erklärbar: Laut dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist nicht nur Dürre eine Folge von Hitze. „Höhere Temperaturen führen auch zu mehr Extremniederschlägen, weil warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen und dann abregnen kann“, sagte er vor einiger Zeit. Laut einer Studie im Fachjournal „Climate and Atmospheric Science“ ist die Zahl der Niederschlagsrekorde stark gestiegen. Im Schnitt könne einer von vier rekordhohen Tagesniederschlägen auf den Klimawandel zurückgeführt werden.
Neben Starkregen machen auch lange Hitzeperioden zu schaffen – Europa ist mehr betroffen als andere Regionen. Laut Rahmstorf wird das auf „häufigeres und anhaltenderes Auftreten einer Wetterlage mit doppeltem Jetstream zurückgeführt“. Der Jetstream ist ein bandartiges Starkwindfeld in zehn Kilometer Höhe, das sich über den nördlichen Breiten um die Erde windet. Bei einem doppelten Jetstream spaltet sich dieser in zwei Äste auf. Die Jetstream-Lagen halten so länger an und sorgen laut einer Studie des PIK für häufigere Hitzewellen in Westeuropa.
Experten empfehlen eine Doppelstrategie: durch raschen Klimaschutz das Unbeherrschbare vermeiden – und sich zugleich an das Unvermeidliche anpassen. Hier wie dort gibt es Aufholbedarf.
Erst Ende letzter Woche wurde eine Abfrage des Umweltbundesamts publik, die Erstaunliches zutage brachte. Demnach hat in den vergangenen zehn Jahren zwar ein Großteil der Kommunen in Deutschland die Auswirkungen von Extremwetter-Ereignissen zu spüren bekommen, nämlich 77 Prozent. Doch nur zwölf Prozent haben bis heute ein Konzept für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels erarbeitet. Immerhin: 23 Prozent der befragten Kommunen erstellen aktuell ein solches Papier. 31 Prozent erklärten, das Thema Klimaanpassung in anderen Fachstrategien zu bearbeiten.