Die Revolte der Republikaner

von Redaktion

Das Weiße Haus im Rücken: Markus Ferber, EVP-Abgeordneter, auf seinem Kurztrip in Washington. © Kathrin Braun

Würde sich im Senat auch gegen einen Präsidenten Trump stellen: Der Republikaner Larry Hogan. © Karl Merton Ferron

„Niedrigere Steuern und keine Inflation“, steht auf einem der Plakate von Trump-Anhängern auf dem Parteitag der Republikaner. Doch viele in der Partei glauben in Wahrheit, dass der Präsidentschaftskandidat eine Gefahr fürs Land wäre. © pa

Washington – Ein wenig absurd ist die Szenerie schon: Es ist Dienstagabend in einem Hotel am Campus der University of Maryland. Der Tagungsraum erinnert an einen Hochzeitssaal. Ein paar dutzend Besucher sitzen da, an weiß gedeckten, runden Tischen unter glitzernden Kronleuchtern. Doch sie sind keine Partygäste, sondern besorgte Konservative. Ganz behutsam kratzen sie auf ihren Porzellantellern, während eine Frau mit schulterlangen, blonden Haaren eindringlich auf sie einredet. „Wollen wir das wirklich noch mal mitmachen?”, ruft die Republikanerin in die Menge. „Wenn Trump gewinnt, bedeutet das den Notstand für unser Land.” Ein älterer Mann aus dem Publikum steht ganz aufgeregt auf und fragt, wie man das verhindern könne. „Wähl’ Harris”, entgegnet sie.

Die Frau, die gerade Wahlkampf für die Demokraten macht, heißt Sahra – und sie bezeichnet sich als waschechte Republikanerin. Sie verachtet Trump. So sehr, dass sie sogar eine Bewegung gegen ihn gegründet hat. „Republican Voters Against Trump“ nennt sich der Club, der eine zweite Präsidentschaft des verurteilten Straftäters verhindern soll.

Ein Anti-Trump als Ehrengast

Der Ehrengast des Abends ist Larry Hogan. Ein berühmter Republikaner, der von sich selbst behauptet, er sei kein Karrierepolitiker. Das stimmt nicht ganz: Der 68-Jährige mischt schon seit seiner Jugend in der Politik mit. Aber seinen Wählern präsentiert er sich gern als einfacher Mann, der irgendwann genug von hohen Steuern und schlechter Politik hatte. Ein Kleinunternehmer aus Maryland, der urplötzlich zum Gouverneur seines eigentlich zutiefst demokratischen Bundesstaats gewählt wurde. Vor zehn Jahren war das. Seit Anfang 2023 ist Hogan nicht mehr Gouverneur. An diesem Dienstagabend schüttelt er die Hände von dutzenden Menschen, die allesamt wissen, dass er noch viel höhere Ziele hat. Schließlich hat er bereits mit dem Präsidentenamt geliebäugelt.

Nun soll es immerhin ein Sitz im Senat werden. Hogan macht in dem Hotel Wahlkampf. Für sich – und für Kamala Harris. „Ich war noch nie besorgter um unser Land“, sagt er. Am 6. Januar 2021, als eine Menge fanatischer Republikaner das Kapitol in Washington stürmte, sei er der Erste gewesen, der die Nationalgarde losschickte. „Am nächsten Tag forderte ich, dass Präsident Trump zurücktreten sollte.“ Die Menge applaudiert.

Hogan ist so etwas wie der Anti-Trump seiner Partei. Das macht ihn so populär. Als er Anfang 2023 als Gouverneur nach zwei Amtsperioden abtreten musste, lagen seine Beliebtheitswerte bei 77 Prozent – obwohl fast zwei Drittel der Wähler in Maryland bei der Präsidentschaftswahl 2020 für Joe Biden gestimmt hatten. „Ich dachte, ich wäre mit der Politik fertig“, erzählt er. „Ich genoss das Privatleben und verbrachte mehr Zeit mit meiner Familie.“ Doch dann habe der Senat Anfang dieses Jahres auf Trumps Befehl hin Milliarden-Pakete für Israel und die Ukraine blockiert. „Das ist nicht nur falsch. Das ist gefährlich“, sagt Hogan. Mit ihm als Senator würde so etwas nicht passieren, verspricht er.

Die Rebellion der Republikaner geht weit über die Grenzen des Hotels in Maryland hinaus. Am Mittwoch haben sich 111 republikanische Ex-Funktionäre in einem offenen Brief hinter Kamala Harris gestellt. Trump zeige „gefährliche Eigenschaften“, etwa seine „ungewöhnliche Sympathie“ für Diktatoren wie Wladimir Putin und Xi Jinping. Unter den Unterzeichnern sind der frühere Vize-Präsident Dick Cheney, zwei Ex-Verteidigungsminister, frühere CIA-Chefs und ein enger Berater von George Bush. Eine Hauptstadt-Blase.

Washington ist kein guter Maßstab. Der Anteil der Trump-Sympathisanten ist hier verschwindend gering. Entschieden wird die Wahl ohnehin in nur sieben Bundesstaaten, in denen es knapp werden könnte. In Umfragen liegt Trump derzeit in drei Swing States – Arizona, Georgia und North Carolina – etwas vorn.

„Trumps Wahlkampf läuft besser, als es in den deutschen Medien oft dargestellt wird“, sagt José Cunningham. Der große Mann mit dem freundlichen Lächeln ist Chef der Republikanischen Partei in Washington. Er steht mitten im Regierungsviertel, nur ein paar hundert Meter vom Weißen Haus entfernt. Als Trump dort seinen Sitz hatte, war Cunningham ein wichtiger Funktionär im Handelsministerium. Er klagt über die „Mainstream-Medien“, und dass sie alle nur Harris unterstützen würden. „Ich kann das verstehen.“ Harris könne ja gut reden, und attraktiv sei sie auch. „Sie hat eine positive Ausstrahlung. Aber sie liefert nur wenig Inhalte.“

Er halte Trump für einen „guten Typen“, erzählt Cunningham. „Es gibt auch viele Republikaner, die ihn nicht mögen. Aber wir wählen niemanden, weil wir ihn zu uns nach Hause zum Abendessen einladen wollen.“ Die meisten in der Partei würden Trump gegenüber loyal bleiben. Er besonders. Gut möglich, dass Trump Cunningham bei einem Wahlsieg als Botschafter nach Berlin schicken würde, erzählt man sich in Washington.

Bei den Republikanern haben seit acht Jahren Trumps MAGA-Anhänger (Make America Great Again) die Oberhand. Für moderate Konservative ist das ein Dilemma: Oft heißt es, Ronald Reagan würde sich „im Grabe umdrehen“, wenn er sehen könnte, was mit seiner alten Partei geschieht. Der 40. US-Präsident gilt in der Partei als Idol. Er ist als klassischer Gentleman in Erinnerung geblieben, der nie mit beleidigenden Spitznamen um sich werfen würde. Einer, der die Nato verehrt und Migration und Freihandel befürwortet hat. Die Partei entzweit sich an solchen, die nostalgisch auf die Reagan-Zeit zurückblicken – und an den Trumpisten, mit ihren Cowboyhüten und schrillen Kappen, die einen Präsidenten wollen, der Veteranen als „Trottel“ bezeichnet und den Russen gesagt hat, sie könnten „tun, was immer sie wollen“.

Wären die Republikaner eine deutsche Partei, dann wohl ein Zusammenschluss aus CSU, Freien Wählern, AfD und einem „Hauch von FDP“, meint Henry Olsen vom Ethics and Public Policy Center, ein konservativer Think-Tank in Washington. „Trump-Anhänger sind sehr besorgt über Migration und den Islam“, sagt er – ähnlich wie AfD-Wähler in Deutschland. „Andere sind besorgt über Arbeitsplätze, und wieder andere über die wahrgenommene Bedrohung traditioneller Formen des Christentums.“ Die Art von Wählern, die wohl in Bayern für CSU und Freie Wähler stimmen würden.

Der CSU-Politiker Markus Ferber würde trotzdem nicht für Trump stimmen. Er ist einer der konservativen Gäste, die in dem Hotel in Maryland die Revolte von Larry Hogan beobachten. Der 59-Jährige ist nur für einen kurzen Abstecher in den Vereinigten Staaten, gerade mal zweieinhalb Tage, die aber vollgepackter nicht sein könnten: 14 Termine, mehr als 30 Gesprächspartner und unendlich viele Meinungen, wie die Wahl ausgehen könnte. „Das Rennen ist völlig offen. Wir irren uns in Europa, wenn wir glauben, Harris hätte die Wahl bereits für sich entschieden“, sagt Ferber. „Ich bin ehrlich. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Trump am Ende mehr Wahlmänner hinter sich bringen kann.“

Im Wahlkampf geht es nicht um Außenpolitik

Der Augsburger hat in Washington zwei Hüte auf. Zum einen ist er als Leiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung vor Ort. Da geht es viel ums Netzwerken, Kontakte knüpfen. Zu Demokraten wie Republikanern. Früher haben CSU, CDU und Republikaner noch zu einer politischen Familie gehört. Mit Trump hat sich das geändert.

Und dann ist er noch in der Rolle eines besorgten Europapolitikers. „Die Außenpolitik der USA, die Beziehungen zu Europa und zur Nato: All das spielt in diesem Wahlkampf kaum eine Rolle“, sagt der EVP-Abgeordnete. Trump sei ohnehin unberechenbar, was das angeht. Aber auch bei Harris weiß man nicht so recht, wie wichtig ihr die transatlantischen Beziehungen sind (siehe Text unten).

Für die Wähler ist Außenpolitik ohnehin zweitrangig. „In diesem Wahlkampf geht es um Kleinigkeiten statt um das große Ganze“, erklärt Charles Lane, Journalist bei der „Washington Post“. „Sowohl Trump als auch Harris wollen Steuerabgaben auf Trinkgelder streichen. Das mag banal klingen, aber in Las Vegas sind viele Menschen auf Trinkgelder angewiesen.“ Am Ende werde nun mal die Wahl in Swing States wie Nevada entschieden. Womöglich von nur tausenden Menschen. Gut möglich, dass Trump das Ergebnis wieder anzweifeln wird. Nicht wenige Experten rechnen damit. Und nicht ausgeschlossen, dass seine Anhänger wieder randalieren. Wie am 6. Januar 2021, den Larry Hogan heute noch „einen der dunkelsten Tage in der amerikanischen Geschichte“ nennt.

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