München – Müll, Chaos, Gestank: Krankhaftes Horten ist für Betroffene ein großes Problem. Messie-Spezialist Michael Schröter (72) aus Gauting hilft. Er hat sein Entrümplungsunternehmen vor 20 Jahren gegründet – und schon viele vermüllte Wohnungen gesehen. Von Menschen in Notlagen und einem Haus voller Ratten.
Herr Schröter, wie viele Messie-Wohnungen haben Sie schon gesehen?
Zwischen 1000 und 2000. Mich kann nichts mehr schocken, ich habe zu viel gesehen.
Erzählen Sie mal.
Wir waren einmal in einem Haus, dort wohnte eine Familie mit vier Kindern. Die Mutter hatte sich selbst beim Jugendamt angezeigt. Bis das Sozialamt die Hilfe für Entrümplung gewährte, dauerte es sieben Monate. Dann sind wir gekommen.
Und was haben sie vorgefunden?
Wir mussten uns Quadratmeter für Quadratmeter vorkämpfen. Auf dem Boden war eine einen halben Meter dicke Schicht Müll – und darunter waren die Ratten. Wir haben drei Tage lang mit drei Leuten gearbeitet und 100 lebende Ratten gefunden. Und die gleiche Zahl an Toten.
Was denken Sie, wenn Sie so was sehen?
Mir haben die Kinder leidgetan und mich beschäftigt der seelische Notstand der Betroffenen.
Lässt man Sie einfach in die Wohnung?
Wenn die vermüllte Wohnung von jemandem entdeckt wurde, dann ist die Angst vor der Entdeckung weg; dann fällt es leichter, jemanden wie mich in die Wohnung zu lassen. Aber die Scham bleibt. Manchmal empfehlen wir auch, die Wohnung in dem Zustand zu lassen, wie sie ist.
Sie lassen dann die Wohnung im Chaos zurück? Warum?
Es gibt drei Arten von Betroffenen: die reinen Sammler, die Vermüller und Mischformen. Dem Sammler geht es darum, Fülle zu erzeugen. Hier ist das Credo: Fülle reduziert Angst, Leere erzeugt Angst. Wenn beim Sammlertyp niemand zu Schaden kommt und die Zugänge zur Tür oder zum Bad halbwegs frei sind, lassen wir die Wohnung so, wie sie ist.
Würden es die Betroffenen zulassen, Dinge wegzuwerfen?
Wenn man denen was wegschmeißt, ist es, als würde man ihnen den kleinen Finger wegnehmen. Diese Menschen haben das Empfinden, dass die Sachen ein Teil von ihnen sind.
Was machen die Betroffenen mit all den Dingen?
In der Regel werden die Sachen nicht benutzt. Einmal bin ich in eine Wohnung gekommen, die war voll mit Kleidung, Schmuck und Kosmetik. Die Frau hatte 500 Jeans, aber getragen hat sie nur zwei.