Friedrich Merz am Montag in der CDU-Parteizentrale. © AFP
München/Berlin – Das Ausmaß der Begeisterung ist unterschiedlich. Bei der CDU, Vorstand wie Präsidium, stehen sie auf und applaudieren minutenlang Friedrich Merz. Bei der CSU geht der Tagesordnungspunkt „Nominierung des Kanzlerkandidaten“ knapper über die Bühne, Handheben, einstimmig, dankeschön. Das Ergebnis ist dennoch klar: Geschlossen steht die Union hinter Merz. „Aus reinem Herzen“, sagt CSU-Chef Markus Söder.
Merz‘ Ausrufung ist nach der Einigung der Parteichefs vom letzten Dienstag eine Formalie. Was es bedeutet, wenn Söder mit nicht so reinem Herz einem CDU-Kandidaten gegenübertritt, war ja 2021 mit Armin Laschet zu beobachten, deshalb schauen sie in Berlin derzeit auf jeden Halbsatz aus München. Zumindest bisher kommen keine Spitzen von Söder. Auch intern ruft er die Partei auf, Merz „mit 100 Prozent im Wahlkampf zu unterstützen“. Allenfalls gegen den NRW-Kollegen Hendrik Wüst teilt Söder aus, berichten Ohrenzeugen. Lächerlich sei seine Erklärung gewesen, sich am Montagabend aus dem K-Rennen zurückzuziehen.
Merz selbst tritt in Berlin vor die Kameras. Selbstbewusst wirkt er, aber bemüht sich um einen staatstragenden Auftritt. In großer Geschlossenheit gehe die Union in die Wahl, sagt er, spricht von der „optimalen Aufstellung“. Er nehme das „mit großer Demut“ an, kenne die Verantwortung auf dem „langen Weg“ bis zur Wahl. Für die CDU verspricht er, sich auf Sachthemen zu konzentrieren, aber mit persönlichen Angriffen auch der SPD auf seine Person zu rechnen. Einzig gegen die FDP packt er einen Hieb aus, fragt, wie weit sie in der Ampel noch sinken wolle.
Das klingt konzentriert. So richtig glücklich ist der Ablauf für Merz und seine Freunde trotzdem nicht. Bei aller Euphorie: Die Brandenburg-Wahl ist ein schwerer Dämpfer für die Stimmung. Die CDU stürzt da auf zwölf Prozent, fällt womöglich zulasten der Wagenknecht-Truppe aus der Landesregierung. Und ist künftig die kleinste Fraktion im Parlament. Ein Teil des Ergebnisses dürfte hausgemacht sein, die Trunkenheitsfahrt des örtlichen Spitzenkandidaten, die Hilfe des sächsischen CDU-Chefs Michael Kretschmer für die SPD. „Miserabel“ sei es in Brandenburg gelaufen, sagen hohe CDUler trübselig. Kretschmer übrigens bleibt den Gremiensitzungen in Berlin, wo auch über ihn geschimpft wird, fern.
Merz‘ Leute haben aber auch alle Hände voll zu tun, eine Mitverantwortung des neuen Kanzlerkandidaten weit von sich zu weisen. Bundesweit seien die Umfragen für die Union noch „sehr gut“. Auch Söder hilft hier: Ein „Sonderfall“ sei die Landtagswahl gewesen, sagt er auf Nachfrage, „kein Dämpfer“ für Merz, „keine Beeinträchtigung“. Wobei Söder anklingen lässt, er finde die Umfragen der Union bundesweit lediglich „ordentlich“.
Im Hintergrund gibt es aber schon gravierende strategische Bedenken. Vielleicht sei die Grünen-Kritik zu massiv gewesen, sagen sehr liberale CDUler. Ihr Argument: ein paar Stimmen mehr hätten die Grünen im Landtag und die CDU damit in der Landesregierung gehalten. Söder teilt das nicht, aber macht eine andere Front auf. Er kritisiert die Freien Wähler ungewöhnlich scharf, die Stimmen im bürgerlichen Bereich wegnahmen, es aber mit 2,57 Prozent nicht in den Potsdamer Landtag schaffte und auch ihr bisheriges Direktmandat wieder klar verloren.
„Das war schon ein ziemliches Desaster“, sagt Söder über das FW-Ergebnis. Er fordert seinen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, den FW-Bundesvorsitzenden, ungewöhnlich scharf zu mehr Präsenz in Bayern und zu besserer Arbeit auf. Und zum Stopp einer Bundestagskandidatur: „Ein Niederbayer auf Ostfriesland wird keinen Punkt machen.“ Stattdessen fehle ihm dann „Zeit, gut in Bayern zu regieren“.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER