„Washington Post“: Hisbollahs plötzliche Enthauptung markiert auch einen Einschnitt im geopolitischen Status quo. Dies kann entweder die Krise der Region vertiefen oder den Anfang vom Ende anzeigen. (…) In einem bestmöglichen Szenario könnte eine Zurschaustellung amerikanischer Macht zusammen mit Vorsicht seitens Irans und diplomatischem Druck der USA auf Israel die Grundlage für ein Ende der Feindseligkeiten, Freiheit für die Geiseln in Gaza und einen Anstieg der humanitären Hilfe für die Palästinenser legen (….) Es gibt auf jeden Fall Hoffnung: Israels Schläge gegen die Hisbollah bedeuten einen ausreichenden Erfolg für Netanjahu und eine ausreichende Niederlage für den Iran und seine Verbündeten, Hamas inklusive, sodass alle Seiten zu dem Schluss kommen könnten, dass sie mit Kämpfen nichts mehr gewinnen, aber viel verlieren können.
„The Times“ (London): Wie lange würden Bürger demokratischer Staaten Europas es hinnehmen, dass aus einem Nachbarland Raketen auf ihre Häuser und Schulen abgefeuert werden? Wie lange würde es dauern, bis der Ruf nach militärischer Vergeltung erschallt? Es gäbe wohl kaum Zweifel daran, dass man zurückschlagen sollte, und zwar hart. Und dabei würden Befehlshaber der Angreifer natürlich als legitime Ziele gelten. Kaum ein Kommentator würde das als eine Eskalation bezeichnen.
„La Repubblica“ (Rom): Eines ist sicher. Das Ziel, das der Iran (…) verfolgt hat, nämlich das schrittweise Strangulieren Israels durch einen von Teheran angeführten, finanzierten und bewaffneten Ring von Verbündeten, (…) wurde nicht erreicht. Im Gegenteil, es ist mit voller Wucht auf den Iran zurückgeworfen worden. Der Zusammenbruch der libanesischen und proiranischen Schiitenmiliz Hisbollah, (…) ist der augenfälligste Beweis für das krachende Scheitern dieser Strategie.
„Nesawissimaja Gaseta“ (Moskau): Die Ausschaltung des Hisbollah-Generalsekretärs Hassan Nasrallah durch Israel schockt die militärische und politische Elite des Irans, der Schutzmacht der Schiiten-Gruppierung. Teheran muss nun nicht nur der „Partei Gottes“ helfen, ihre Kommandostruktur umzubauen. Es muss auch seinen eigenen obersten Führer Ali Chamenei schützen, denn Israel wird verdächtigt, dass es die Wirkung seiner aufsehenerregenden Aktion in Beirut noch ausdehnen möchte.
„Libération“ (Paris): Die Enthauptung der Hisbollah (…) ist ein unbestreitbarer taktischer Sieg. Außer dem Iran und den (…) Sympathisanten der libanesischen Schiitenmiliz wird niemand um Hassan Nasrallah trauern, einen Fanatiker, der (…) auch für die katastrophale Lage im Libanon verantwortlich ist. (…) Doch dieser Sieg, (…) der es Benjamin Netanjahu ermöglicht, sein Image in Israel wiederherzustellen, (…) kann sich auch in eine echte strategische Katastrophe verwandeln. Erstens, weil der Libanon wieder einmal in Flammen steht. Zweitens ist die Hisbollah (…) eine Ideologie, die vor allem vom Iran genährt wird. Sie kann also geschwächt, aber nicht mit einem Fingerschnippen oder einer Bombe beseitigt werden, und es ist – wie bei der Hamas – zu befürchten, dass andere Männer die Führung übernehmen, die umso fanatischer sind, je verheerender die Schläge gegen sie gewesen sind.