Mit dem ICE durch die Wüste

von Redaktion

2000 Kilometer Strecke, 60 neue Bahnhöfe: Siemens baut in Ägypten am Bahnnetz der Zukunft mit

Wie die Regionalbahn im Oberland: Der Schnellzug von innen. © Schier

Die imposante Eingangshalle des neuen Siemens-Bahnhofs in der neuen Verwaltungshauptstadt Ägyptens. © Sven Hoppe/dpa

Kairo – Na gut, man braucht ein wenig Fantasie. Kamel Al Wazir, ägyptischer Minister für Infrastruktur, steht mitten in der Wüste und präsentiert seinen neuen Hauptbahnhof, der noch vor allem aus Betonstreben besteht. Auch Schienen sind schon verlegt. Angeblich 24 Kilometer. Der Minister zeigt in die Ferne. Dort hinten ist das Olympiastadion. Der Bau schon recht weit, nur die Olympiavergabe steht halt noch aus. Und irgendwo in der Ferne ist auch das neue Regierungsviertel. Dazwischen: Wüste. Aber irgendwann! Irgendwann wird das hier ein großer Umsteigebahnhof sein, der das politische und sportliche Zentrum an eines der modernsten Schienennetze der Welt anschließt.

„Ägypten beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue“, sagt Karl Blaim, CFO von Siemens Mobility vor der bayerischen Delegation um Markus Söder. Die junge Bevölkerung sei hungrig nach Innovation und Fortschritt. Und so sei es auch mit diesem gigantischen Schienennetz, das sich der Staat da vorgenommen hat. „Das Projekt zeigt Pioniergeist.“ Es sei nicht übertrieben, wenn man sage, gemeinsam mit der Regierung erschließe Siemens das Land völlig neu.

Ägypten hat derzeit viele Projekte der Superlative – nicht alle sind in der unter Armut leidenden Bevölkerung beliebt. Das Bahnsystem soll aber möglichst allen Ägyptern dienen, auch wenn für viele die Tickets unerschwinglich bleiben dürften. Insgesamt soll es 2000 Kilometer mit 60 Stationen umfassen. Die Reisezeit wird dank einer Höchstgeschwindigkeit von 230 Kilometern pro Stunde um 50 Prozent reduziert, heißt es. Die bayerische Note dabei: Siemens Mobility liefert 41 Velaro-Hochgeschwindigkeitszüge (ein Zwillingsbruder des ICE 3) und 94 Regionalzüge der Reihe Desiro. Einer davon steht auch schon in der Wüste. Von innen sieht er genauso aus wie eine Regionalbahn im bayerischen Oberland. Auch 41 Lokomotiven für den Güterverkehr kommen aus Bayern. Experten berichten, es sei nicht einfach, die Züge auf die heißen und vor allem sehr sandigen Bedingen in Ägypten vorzubereiten – und mancher geplagte ICE-Kunde in der Söder-Delegation kann seine Skepsis kaum verbergen.

Drei Strecken sind geplant, allen voran der „Suezkanal auf Schienen“, eine 660 Kilometer lange Verbindung zwischen den Hafenstädten Ain Sokhna am Roten Meer und Marsa Matrouh sowie Alexandria am Mittelmeer. Sie soll 2026 eröffnet werden, lokale Unternehmen bauen bereits auf Hochtouren. Die längste Strecke reicht über 1100 Kilometer von Kairo nach Abu Simbel, nahe der Grenze zum Sudan. Die dritte Strecke (mit 225 Kilometern die kürzeste) verbindet die archäologischen Stätten des Weltkulturerbes in Luxor mit Hurghada am Roten Meer. Dieser Abschnitt dürfte auch für deutsche Touristen interessant werden.

Ohne Frage ein Meilenstein im Vergleich zur vorhandenen, völlig überlasteten Infrastruktur. „Man bringt Regionen zusammen, die bislang kaum etwas miteinander zu tun hatten, schneller zueinander“, lobt Söder. Als Siemens den 8,1 Milliarden-Euro-Deal verkündete, sprach man vom „größten Auftrag der Konzerngeschichte“. Auch ein Wartungsvertrag über 15 Jahre ist enthalten. Solche Projekte zeugten von der Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft, sagt Söder. Wenn er im Vergleich das deutsche Planungstempo sehe, müsse man einiges ändern. „Ich habe vorhin ein Schild gesehen, darauf stand: Coming soon. Das wäre doch mal ein Motto für die Deutsche Bahn.“
MIKE SCHIER

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