Direkter Nachbar Israels: Ägypten ist im Nahen Osten ein wichtiger Vermittler. © Sven Hoppe/dpa
Das Parlamentsgebäude steht in der Hauptstadt, die Präsident al-Sisi mitten in der Wüste erbauen lässt. © Sven Hoppe/dpa
Valentino und Markus vor den Pyramiden: Das Kamel und der Ministerpräsident haben sich angefreundet. © Sven Hoppe/dpa
Kairo – Dafür lohnt es sich doch, früh aufzustehen. Es ist 6 Uhr morgens deutscher Zeit, als sich Markus Söder vor der Sphinx und den Pyramiden aufbaut. Etwa 2500 vor Christus wurden sie erbaut, Söder ist immerhin Jahrgang 1967. „Sie haben hier Gottkönige vor sich“, erklärt der deutsche Archäologie-Professor, der die Führung des Gastes aus Bayern übernommen hat. Die Mächtigen des Diesseits setzten ihre Herrschaft auch im Jenseits fort. Söder, der in jugendlicher Naivität einmal die Begrenzung seiner eigenen Amtszeit auf zehn Jahre angeregt hatte, gefällt diese Vorstellung sichtlich. Aber noch besser gefällt ihm, als der anfangs zögerliche ägyptische Wärter das kleine Tor öffnet. „So können Sie bessere Fotos machen“, sagt er. Der Ministerpräsident ruft freudig: „Sie wissen, was wir brauchen!“
Drei Kamele für Markus Söder
Markus Söder auf Reisen. Das ist immer eine seltsame Mischung aus, nun ja, Weltpolitik, Sightseeing und Influencer-Geste. Kameras und Fotografen drängeln sich um ihn. Und damit auch jene mit Söder-Content bedient werden, die weder Zeitung lesen noch „Tagesschau“ gucken, hat er zur Sicherheit noch einen eigenen Kameramann und einen eigenen Fotografen dabei. Für Instagram, Facebook und X.
Nichts wird dem Zufall überlassen. Für das Frühstück mit Pyramidenpanorama sind eigens drei Kamele bestellt. Sie heißen: Valentino, Casanova und Mickey Mouse. Vor allem Valentino hat es Söder angetan. Anders als bei den Plüsch-Pandas in Peking werden zwar keine Küsse verteilt. Auch reiten will Söder nicht. Aber es gibt schöne Fotos von Valentino und Markus im Zwiegespräch. Und als das Tier später die Stirn eines Reporters abschleckt, muss selbst der Medienprofi vor Lachen sein Interview abbrechen.
Nur einmal wehrt Söder energisch ab: Als ihm der freundliche Kamelführer fürs Foto sein Palästinensertuch um den Hals hängen will. „Zu viele deutsche Journalisten“, mahnt ihn der Politiker auf Englisch. Am Sonntag will er in München auf die große Solidaritätsdemo für Israel, am Montag zur Trauerfeier in die Synagoge ein Jahr nach dem Anschlag vom 7. Oktober. Ein Bild mit Palästinatuch passt da nicht ins Konzept.
Ja, dieser Trip zu den Pyramiden ist ernster als die letzten Söder-Reisen. Trotz Kamelen und Pyramiden. Es sind nur 400 Kilometer Luftlinie zwischen Kairo und Tel Aviv. In der Nacht vor Söders Ankunft in Ägypten fingen die israelische und amerikanische Flugabwehr rund 180 Raketen aus dem Iran ab. Tel Aviv kündigte Konsequenzen an, der Iran drohte seinerseits. Und auch der Jahrestag des Hamas-Überfalls wirft seine Schatten voraus. Anders als die Militärregierung, haben viele Ägypter große Sympathien für die leidende muslimische Bevölkerung in Gaza.
Eine neue Hauptstadt mitten in der Wüste
Der Konflikt überlagert auch die Gespräche, die Söder am Donnerstagmittag führt. Jenes mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der die Einladung offiziell ausgesprochen hatte, kommt wegen Terminproblemen zwar nicht zustande. Stattdessen trifft Söder zunächst Premierminister Mustafa Madbouly und später noch fünf Minister, darunter den Außenminister. Insider in Kairo nennen das in der Summe außergewöhnlich, zumal die Frage der Kanzlerkandidatur ja gegen Söder entschieden ist. Aber Deutschland sei für die Ägypter ein wichtiger Handelspartner. Das wurde auch unlängst deutlich, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kairo war und sich die Gastgeber viel Zeit für die Delegation nahmen.
Von den Pyramiden geht es mehr als eine Stunde Fahrtzeit einmal durch New Kairo raus in die Wüste. Westlich der 20-Millionen-Metropole liegt eine der größten Baustellen Afrikas. Al-Sisi baut sich hier eine neue Hauptstadt. Sie hat noch kaum Bewohner und noch keinen Namen. Sie firmiert unter dem Arbeitstitel „New Administrative Capital“. Entlang der breiten Straßen ziehen sich ewige Baustellen. Wohnblocks und Hochhäuser entstehen, auch das höchste Gebäude Afrikas. Etliche Moscheen sind schon fertig, sogar eine Kirche. 2036 will Ägypten hier die Olympischen Spiele ausrichten. Dann soll dieses Prestigeprojekt sechs Millionen Einwohner haben.
Aktuell scheint das kaum vorstellbar. Ebenso wenig wie die ferne Vision, dass diese neue Stadt und das alte Kairo mal ineinander wachsen. Doch die Einwohnerzahl explodiert regelrecht, 110 Millionen leben inzwischen in Ägypten, jährlich kommen 2,5 Millionen hinzu. Nicht durch Zuwanderung, sondern durch Geburten. Das Durchschnittsalter liegt bei 24 Jahren. Und obwohl die Wirtschaft schwächelt und die Inflation explodiert (75 Prozent des Getreides kamen früher aus der Ukraine und Russland), wollen viele im Land bleiben. Die bayerische Wirtschaft überlegt dennoch, wie sie hier gut ausgebildete Fachkräfte gewinnen kann.
Söder: Bayern klar an der Seite Israels
Politische Gespräche kann man in „New Administrative Capital“ jedenfalls schon führen. Ein paar Ministerien sind bereits eingezogen. Natürlich geht es für Söder vorrangig um die bayerische Wirtschaft. Für die große Nahost-Politik ist nicht ein Ministerpräsident verantwortlich, sondern der Kanzler und die Außenministerin. Aber klar ist: „Ägypten hat immer eine Führungsrolle in der arabischen Welt gehabt“, sagt Söder. Es sei „eines der Länder, die für die Stabilisierung im Nahen Osten entscheidend sind“. Die deutsche und bayerische Position sei klar an der Seite Tel Avivs: „Wir unterstützen Israel in dieser schweren Zeit. Hamas und Hisbollah sind Terrororganisationen. Dass sich Israel gegen sie wehrt, ist absolut verständlich.“
Jenseits der aktuellen Krise gibt es ein Abkommen zu grünem Wasserstoff. Noch ist das alles in der Frühphase, Arbeitsgruppen werden gegründet. Fragen nach einem Zeitplan weicht Söder aus. Demnächst soll Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) nach Ägypten reisen, um Details auf den Weg zu bringen. Eine kleine Hoffnung schwingt mit, dass vielleicht ja die Ägypter die treibende Kraft werden: Die Militärregierung zeigt nicht nur beim Bau der neuen Hauptstadt, dass sie auch mal zu großen Lösungen bereit ist.