Jerusalem: Israelis fordern vor der Residenz von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Freilassung der Geiseln. © dpa
Yuval Danzig (re.) enthüllt auf einem Friedhof in Warschau eine Gedenktafel für seinen von der Hamas getöteten Vater. © dpa
Installation am Marienplatz. Am Montagnachmittag zeigt die Israelitische Kultusgemeinde auf großen Tafeln die Bilder der Opfer. © Foto: Markus Götzfried
Berlin: Bei der Mahnwache vor der Kreuzberger Synagoge zünden die Menschen Kerzen für die Opfer an. © dpa
Kanada: Israel-Befürworter schwenken israelische Fahnen auf einer Gedenkveranstaltung in Ottawa. © dpa
Unendlicher Schmerz: Eine Frau weint auf dem Gelände des Nova-Festivals um ein Opfer des Hamas-Angriffs. © dpa
München – Ori Danino (25), Saturn Look (22), Dikla Arava (51), Zoha Meiri (55), Ram Shalom (25). Nur einige Namen aus der langen Liste der Toten vom 7. Oktober. Gestern erklangen ihre Namen noch einmal laut. An vielen Orten der Welt wurden sie am Jahrestag des Überfalls der Hamas-Terroristen auf Israel verlesen. Manche wurden direkt in ihrem Haus oder auf dem Nova-Musikfestival nahe des Kibbuz Reim erschossen, andere wurden verschleppt und starben in der Geiselhaft im Gazastreifen. Für viele der 251 Geiseln ist das Leiden noch nicht vorbei. Sie befinden sich noch in der Hand der Hamas.
In Israel haben am Montag die Gedenkfeiern zum ersten Jahrestag des Hamas-Überfalls begonnen. Zum Auftakt hielt nahe dem Kibbuz Reim, wo mehr als 370 Teilnehmer des Musikfestivals getötet wurden, eine Menschenmenge um 6.29 Uhr Ortszeit, dem Beginn des Angriffs, eine Schweigeminute ab. Zuvor waren minutenlang die hypnotischen Klänge des letzten Musikstücks zu hören, das gespielt wurde, bevor die Musik abrupt abbrach und das Morden begann. Angehörige der Opfer brachen in Tränen aus. Während der Gedenkfeier waren aus dem Gazastreifen Schüsse und der Motorenlärm eines Kampfhubschraubers zu hören. Zeugen des Krieges, der noch immer anhält. Auch auf einer Gedenkfeier in Tel Aviv kamen Angehörige der auf dem Musikfestival getöteten meist jungen Menschen zusammen. „Ich stecke immer noch am 7. Oktober fest“, wurde die Mutter einer ermordeten jungen Frau in israelischen Medien zitiert. „Die Welt bewegt sich weiter, aber für mich ist die Zeit stehen geblieben.“
Weltweit gab es Gedenkveranstaltungen: im Londoner Hyde-Park eine Mahnwache, in New York, Lima oder Warschau wurden die Namen der 1205 Toten des Angriffs verlesen. Ebenso am Brandenburger Tor in Berlin. Die Lesungen waren Teil der internationalen Kampagne der „Marsch des Lebens“-Bewegung. In Hamburg sprach am Montagabend Bundeskanzler Olaf Scholz, in Berlin nahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an einem interreligiösen Gottesdienst teil.
In der Münchner Synagoge Ohel Jakob erinnerten am Montagabend Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, und die israelische Generalkonsulin Talya Lador Fresher an den „Schwarzen Schabbat“, wie das Massaker in Israel genannt wird. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Kardinal Reinhard Marx hielten Reden, in denen sie die Solidarität Bayerns mit Israel bekräftigten. Erwartet wurde eine Überlebende des Massakers im Kibbuz Beeri, Dafna Gerstner. Mehr als 100 Bewohner des Kibbuz starben, darunter auch Gerstners Bruder.
Söder gab gegenüber unserer Zeitung bereits vor dem Gedenkakt „ein Schutzversprechen für jüdisches Leben in Bayern“ ab: „Der Anschlag der Hamas war ein brutaler Terrorakt und der schlimmste Vernichtungsfeldzug gegen Juden seit dem Zweiten Weltkrieg. Bayern steht fest an der Seite Israels. Ein Angriff auf jüdisches Leben ist ein Angriff auf uns alle. Wir stehen für Deeskalation und Frieden, aber Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung.“
Weltweit gab es aber auch Kundgebungen pro Palästina. In Berlin-Kreuzberg und Stuttgart versammelten sich am Wochenende propalästinensische Demonstranten, am Montagabend in Frankfurt. Die Stadt hatte versucht, die Veranstaltung zu verbieten, der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hob das Verbot aber auf. Kundgebungen für Palästina gab es auch in Marokko, Indonesien, in Rom sowie in etwa 60 Städten in der Türkei.
Israels Präsident Izchak Herzog warb gestern um Unterstützung. „Es ist eine Narbe an der Menschheit, eine Narbe am Angesicht der Erde“, sagte er am Ort des Nova-Musikfestivals. „Die Welt muss sich dessen gewahr werden und verstehen, dass sie Israel in der Schlacht gegen seine Feinde unterstützen muss, damit der Lauf der Geschichte geändert und der Region Frieden und eine bessere Zukunft gebracht werden können.“ Israel schlage eine Schlacht für die freie Welt.
Noch immer befinden sich 97 Geiseln in der Hand der Hamas. Angehörige fordern von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen Deal mit der Hamas, um die Geiseln freizubekommen. Gestern Morgen demonstrierten dutzende Angehörige vor Netanjahus Residenz in Jerusalem, ließen zwei Minuten eine „Weckruf“-Sirene ertönen und sangen anschließend die Nationalhymne. Israel müsse die Geiseln lebend nach Hause bringen, so die Forderung. Wie viele der Geiseln tatsächlich noch leben, ist unklar. Gestern vermeldete das Angehörigen-Forum den Tod der Geisel Idan Schtivi, 28 Jahre alt. Israels Armee geht davon aus, dass 34 der noch vermissten 97 Geiseln bereits tot sind.
MIT DPA, AFP