Lew Gudkow, wissenschaftlicher Leiter von Russlands einzigem unabhängigem Meinungsforschungsinstitut Lewada. © dpa
Früher war Deutschland in Russland beliebt – doch wegen der Unterstützung für die Ukraine sieht eine Mehrheit von Russen und Russinnen Deutschland mittlerweile als feindliches Land. „Der entscheidende Umbruch war der Beginn des Krieges gegen die Ukraine“, sagte der russische Soziologe Lew Gudkow in Berlin bei der Vorstellung einer Studie zum russischen Deutschland-Bild.
Das unabhängige Lewada-Zentrum für Meinungsforschung in Moskau hatte dazu im Mai 1600 Menschen in Russland repräsentativ befragt. Heraus kam, dass derzeit 62 Prozent der Russen ein schlechtes oder eher schlechtes Verhältnis zu Deutschland haben. Noch im Jahr 2019 war es umgekehrt: 61 Prozent der russischen Bevölkerung hatten ein gutes oder eher gutes Bild von Deutschland.
40 Prozent wünschen sich Freundschaft
Der Zusammenhang zum Kriegsgeschehen in der Ukraine ist offensichtlich. Denn ein Umschwung ließ sich erstmals für das Jahr 2022 feststellen, als Kremlchef Wladimir Putin den Angriffskrieg gegen die Ukraine befahl. Dass Deutschland den Krieg kritisiert und sich an die Seite der Ukraine gestellt hat, missbilligen der aktuellen Umfrage zufolge 64 Prozent der befragten Menschen in Russland; nur 11 Prozent der Befragten zeigten dafür Verständnis.
Lewada-Chef Gudkow leitete aus den Antworten ab, dass eine verstärkte antideutsche Propaganda in Russland Wirkung zeige. „Deutschland hat die Ukraine und Polen überholt als feindselige Länder“, sagte er in Berlin. Nur in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Großbritannien sehe die russische Bevölkerung noch größere Feinde.
Das in den vergangenen Jahrzehnten positive Bild Deutschlands völlig zu untergraben, sei der Propaganda aber schwergefallen, analysierte Gudkow die Studienergebnisse. Als ein Relikt dieser Einstellung sah der Forscher, dass 39 Prozent der Befragten freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland immer noch für möglich halten. Weitere 40 Prozent sagen, sie hätten gern freundschaftliche Beziehungen zu Deutschland, auch wenn diese im Moment unwahrscheinlich seien.
Das Lewada-Zentrum, das Lew Gudkow (77) leitet, kann zwar noch unabhängig arbeiten, steht aber inzwischen auch unter dem Druck der russischen Behörden. Bereits im Jahr 2016 brandmarkte die russische Justiz das Institut mit einer Einstufung als sogenannter ausländischer Agent.
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