In der Öffentlichkeit müssen sich Frauen in Afghanistan verhüllen und dürfen nicht singen oder laut sprechen. © Weda/dpa
Luxemburg – Es ist das sogenannte Tugend-Gesetz, das die Rechte von Frauen in Afghanistan vollends beschneidet. Frauen müssen sich verschleiern, dürfen ihre Stimme in der Öffentlichkeit nicht erheben oder singen und sie werden von der mächtigen Sitten-Polizei überwacht. Zur Schule gehen dürfen Mädchen nur bis zur sechsten Klasse. Weltweit das einzige Schulverbot für Mädchen. Universitäten sind für Frauen tabu. Seit der Machtübernahme der Taliban werden Frauen gesellschaftlich nahezu komplett ausgegrenzt.
Einige dieser geschlechterspezifischen Diskriminierungen sind, so urteilte Anfang Oktober der Europäische Gerichtshof (EuGH), ein Asylgrund. Das bedeutet: Bei der Prüfung von Asylanträgen von afghanischen Frauen reichen nun bereits das Geschlecht und die Herkunft aus, um von einem Akt der Verfolgung auszugehen. Eine tatsächliche individuelle Bedrohung der Asylsuchenden muss damit nicht mehr nachgewiesen werden.
Geklagt hatten zwei Afghaninnen, weil ihr Asylantrag in Österreich abgelehnt worden war. Die EuGH-Entscheidung ist bindend für alle EU-Mitgliedsstaaten. Damit wird praktisch allen europäischen und damit auch deutschen Gerichten die Asyl-Entscheidung abgenommen und afghanischen Frauen der volle Flüchtlingsschutz gewährt. Dies umfasst den Anspruch auf Familiennachzug. Kritik an dem Urteil kommt aus der Union. „Wenn es nach dem EuGH geht, haben jetzt alle 40 Millionen Afghanen einen Anspruch auf Schutz in Europa: Die Frauen bekommen Asyl, ihre Männer und Söhne kommen über den Familiennachzug nach“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), der „Berliner Zeitung“. Das Gericht habe sich zum „Totengräber des individuellen Asylanspruchs“ gemacht. Menschenrechtler hingegen begrüßten das Urteil.
In Deutschland waren 2023 von den insgesamt 51 275 afghanischen Asylsuchenden 18,4 Prozent weiblich. Im ersten Halbjahr 2024 lag die Anerkennungsquote für Afghaninnen bereits bei gut 91 Prozent.
Laut Europäischem Gerichtshof hätten internationale Organisationen wie die EU-Asylagentur und das UN-Flüchtlingshilfswerk bewiesen, dass junge Mädchen und Frauen unter dem radikalislamischen Taliban-Regime in Afghanistan bewusst und systematisch ausgegrenzt und unterdrückt werden. Dazu gehöre häusliche Gewalt, Zwangsverheiratung, das Verhüllungsgebot und der verbotene Zugang zu Bildung, Sport, politischer Teilhabe. Die UN sprechen von „Geschlechter-Apartheid“ in Afghanistan.
LEONIE HUDELMAIER