Die Gastronomie kommt nicht auf die Beine

von Redaktion

Wirt Thomas Klement veranstaltet heuer lange nicht mehr so viele Veranstaltungen in seinem historischen Festsaal wie noch vor einigen Jahren. Besonders das Format Kleinkunstbühne ist bei Besuchern sehr beliebt. © Johannes Dziemballa

Isen – Leicht fällt es Wirt Thomas Klement nicht, davon zu erzählen, wie sich sein Gasthof Klement in den vergangenen Jahren verändert hat. Früher sei das Wirtshaus in der 5000-Einwohner-Gemeinde Isen (Landkreis Erding) ein Ort zum Feiern gewesen, ein Wirtshaus, in dem viele bunt-schillernde Veranstaltungen mit namhaften Künstlern stattgefunden haben. Heute bleibe der historische Festsaal des familiengeführten Gasthofs öfter mal leer, dunkel und kalt. Es kommen einfach weniger Menschen. Das liege aber nicht daran, dass die Einwohner Isens keine Freude mehr hätten, diese Events zu besuchen. Es sei nur alles schlicht viel zu teuer geworden, und das auch noch über eine kurze Zeitspanne von wenigen Jahren, sagt Klement.

Die Gastronomie ist einer der Hauptverlierer der Pandemie. Viele Cafés, Restaurants und Hotels haben nicht überlebt. Deutlich weniger Kundschaft, Ausfälle der Mitarbeiter und eine angespannte finanzielle Lage – diese Zeit konnte nicht jede Lokalität unbeschadet überstehen. Seit 2020 haben bundesweit mehr als 48 000 Betriebe geschlossen und 6100 einen Insolvenzantrag gestellt, heißt es in einer Studie der Wirtschaftsauskunftei Creditreform.

Und auch Jahre später hat sich die Branche noch immer nicht erholt. Viele Kellner und Köche haben sich während der Corona-Krise in andere Bereiche umorientiert. Nach wie vor suchen viele Betriebe händeringend Personal. Vor allem nach Mitarbeitern, die bleiben. Oft hält es Angestellte nur eine Saison, dann ziehen sie weiter. Oder sie beenden ihr Studium: Viele Studenten verdienen sich im gastronomischen Bereich nur nebenbei etwas dazu und sind nach einer gewissen Zeit wieder weg.

Die Personalsituation sei „prekär“, sagt der Referatsleiter Gastgewerbe der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Mark Baumeister. Bedingt durch Zeitdruck, niedrige Einkommen und massive Mehrarbeit falle es der Branche schwer, Fachkräfte oder Auszubildende zu gewinnen. Laut der NGG sei in den Jahren 2020 und 2021 die Zahl der Beschäftigten um 330 000 gesunken. Im darauffolgenden Jahr sei sie zwar wieder um 224 000 gestiegen – zwei Drittel davon waren allerdings Minijobber, also Ungelernte.

Inzwischen passen sich Betriebe an die Situation an: Stellen werden oft gar nicht mehr ausgeschrieben. Viele setzen inzwischen eher auf ungelernte Kräfte und specken sogar ihre Öffnungszeiten ab. Auch Thomas Klement und seine Frau Dana haben sich Anfang des Jahres dazu entschieden, einen weiteren Ruhetag einzulegen. Dienstags hätten sich ohnehin nicht genug Mitarbeiter gefunden. Familie Klement versucht es positiv zu sehen. „Für uns ist der zweite Ruhetag auch eine Gelegenheit, uns ein wenig Entspannung im Alltag zu gönnen. Der eigentliche Ruhetag ist für Besorgungen da“, meint Thomas Klement.

Der Personalmangel wirkt sich nicht zuletzt auch auf die Speisekarte im Gasthof Klement aus. „Wir haben uns dafür entschieden, bei Großveranstaltungen Speisen anzubieten, die nicht so arbeitsintensiv sind“, so Klement. Er glaubt, dass es in Zukunft immer weniger Gastrobetriebe geben wird. Nicht an allem sei aber die Pandemie schuld. Die Arbeitszeiten in der Gastronomie seien gerade für junge Menschen unattraktiv. Gelernte Fachkräfte würden nicht selten in den Einzelhandel abwandern – wegen geregelter Arbeitszeiten.

Und dann sind da noch die Preise. Man merke, dass die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, sagt Klement. Oft würden Gäste nur noch zum Trinken kommen und weniger Essen bestellen. „Entweder entscheiden sich die Leute ganz bewusst dafür, viel Geld auszugeben oder sie wollen so günstig wie möglich essen. Die Mittelschicht – also auch viele Familien, für die die Erhöhung der Kosten belastend ist – bleibt immer häufiger im Gasthof aus. Diese Menschen überlegen sich genau, wann und wie oft sie zum Essen kommen“, so die Beobachtung des Wirts.

Laut einer Umfrage des Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) setzten die Hoteliers und Gastronomen im ersten Halbjahr 2024 trotz gestiegener Preise knapp elf Prozent weniger um als im Vorjahreszeitraum. Der Gewinn brach sogar um 22 Prozent ein. Auch die Fußball-EM brachte nicht den erhofften Aufschwung. „Trotz größter Anstrengungen wird es für unsere Betriebe immer schwerer, wirtschaftlich zu arbeiten. Wenn sich nichts ändert, stehen weitere tausende Betriebe vor dem Aus“, sagt Dehoga-Präsident Guido Zöllick.

Das Gastgewerbe hadert zudem nach wie vor mit der Mehrwertsteuererhöhung von sieben auf 19 Prozent zum Jahresanfang. Knapp 90 Prozent der Betriebe sahen sich laut Dehoga-Umfrage dadurch gezwungen, ihre Preise zu erhöhen. Zwei Drittel erlitten sinkende Umsätze und Gästezahlen. Nach den größten Herausforderungen gefragt, nennen die meisten Unternehmen neben der Anhebung der Steuer außerdem die steigenden Kosten für Lebensmittel und Getränke – und für Personal.

Laut Verbraucherzentrale sind Lebensmittel heute um etwa 30 Prozent teurer als sie es noch 2021 waren. Gleichzeitig haben sich Mieten und Nebenkosten erhöht – für Gastronomen ist das eine existenzielle Herausforderung. Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer sorgen sich 29 Prozent der Unternehmen in der Gastronomie um ihre Liquidität.

Der Personalmangel geht inzwischen so weit, dass immer mehr Gastronomie-Betriebe in Deutschland Roboter einsetzen, berichtet der Dehoga – zum Beispiel für einzelne Zubereitungsschritte in der Küche oder zum Servieren von Getränken (siehe Text unten). Doch die Gäste schätzten laut Dehoga nach wie vor die persönliche Gastfreundschaft in Restaurants. Das Gastgewerbe sei und bleibe geprägt von Menschen.

Das sieht auch Klaus Klement so. „Die Wirtshäuser sind wichtig für den Erhalt des sozialen Zusammenhalts. Und sind besonders gut für Herz, Bauch und Verstand.“ Klement weiß, dass es sich lohnt, auch unter erschwerten Bedingungen weiterzumachen.
(MIT DPA)

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