Wie Putins Schattenflotte das Öl-Embargo umschifft

von Redaktion

Trotz der westlichen Sanktionen versorgt Moskau Europa weiter mit Rohöl – und zwar mit schrottreifen Tankern

„Ruby“ Anfang September beim Verlassen des Hafens von Tromsø, Norwegen. Der alte Tanker gilt als hochexplosiv und findet keinen Hafen zum Anlegen. © pa

München – Sie sind alt, verrostet und schlecht gewartet – und sie bescheren Putin Milliardengewinne. Rund 400 bis 600 alte Schiffe gehören Schätzungen zufolge zu Putins sogenannter Schattenflotte: Laut einer Recherche der „Financial Times“ bewegen sie täglich rund vier Millionen Barrel russisches Öl durch die Weltmeere. Und zwar unter dem Radar des Westens, der gleich zu Beginn des Ukraine-Kriegs erstmals Sanktionen gegen russisches Öl verhängt hat.

Fast zwei Jahre später weiß man, dass die Maßnahmen weitgehend versagt haben. Noch immer werden riesige Mengen an russischem Öl um den Globus transportiert – auch in die EU. Die Herkunft des Öls werde mit falschen Kennzeichnungen verschleiert, und die Suche nach den Eigentümern der Tanker führte oft zu Briefkastenfirmen, heißt es in der „Financial Times“. Demnach hat Russland die Kapazität seiner Schattenflotte im Vergleich zum Vorjahr um fast 70 Prozent erweitert – viele Schiffe würden regelmäßig durch die Ostsee, die dänische Meerenge und die Straße von Gibraltar fahren.

Auch eine Recherche von „Report Mainz“ zeigt, dass seit einiger Zeit Tanker mit russischem Öl Häfen in der EU ansteuern. Die Reporter haben mithilfe von GPS-Daten etwa 15 Tanker beobachtet, die von russischen Ostsee-Häfen direkt europäische Häfen ansteuerten – dabei ging es vor allem um italienische Häfen wie Triest oder Augusta, vereinzelt aber auch Häfen in Kroatien, Frankreich oder Spanien. Viele Schiffe der Schattenflotte seien demnach auf griechische Reedereien zurückzuführen.

Ein Frachter, der seit Wochen durch Nord- und Ostsee irrt, gilt sogar als explosionsgefährdet, weil er stark beschädigt ist und etwa 20 000 Tonnen Ammoniumnitrat transportiert. Das alte Schiff namens „Ruby“ war am 22. August in der russischen Hafenstadt Kandalakscha unter maltesischer Flagge in See gestochen – mehrere europäische Schiffe haben dem Schiff seitdem die Einfahrt verwehrt.

Experten der Kyiv School of Economics sind der Meinung, eine Umweltkatastrophe vor Europas Haustür sei „nur eine Frage der Zeit“. Auch von Greenpeace heißt es, dass das Risiko einer Ölkatastrophe seit Beginn des Ukrainekriegs und Inkrafttreten der Sanktionen gegen Russland stark gestiegen ist. Demnach haben im vergangenen Jahr fast 1000 Öltanker die Ostsee passiert – das seien so viele wie noch nie. Eine Analyse zeige zudem, dass dort immer mehr alte Schiffe unterwegs sind. „Im Schnitt sind die Tanker fast 17 Jahre alt“, heißt es von Daten-Experten bei Greenpeace. 2021 habe das Durchschnittsalter hingegen noch bei 8,9 Jahren gelegen.

Laut „Politico“ sind die Schiffe in vier von fünf Fällen unversichert: Im Falle eines größeren Ölunfalls wäre es kaum möglich, jemanden zur Verantwortung zu ziehen. Demnach habe es bereits Ölverschmutzungen an Orten wie Thailand, Vietnam, Italien und Mexiko gegeben, die alle mit der Schattenflotte in Verbindung stehen.

Seit die EU den Import russischen Öls verboten hat, verschiffe Russland sogar mehr Rohöl als zuvor, berichten Experten. Eigentlich verbietet ein Sanktionspaket der G-7-Staaten westlichen Reedereien, sich an russischen Rohölexporten über 60 Dollar pro Barrel zu beteiligen – trotzdem wird noch der größte Teil über diesem Preis gehandelt. Seit der Einführung der Preisobergrenze soll Moskaus Schattenflotte Öl im Wert von 80 Milliarden Euro transportiert haben. Geld, das wohl direkt in Putins Kriegskasse fließt.
KATHRIN BRAUN

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