INTERVIEW

„Ich finde es richtig, dass man sich nicht erpressen ließ“

von Redaktion

Iris Roggenkamp war eine der Geiseln – Ein Jahr nach der Entführung flog sie erneut mit der „Landshut“

Erlebten die Entführung gemeinsam: Iris Roggenkamp (re.) und ihre Schwester als junge Frauen. © privat

München – Die damals 28-jährige Studentin Iris Roggenkamp saß mit ihrer Schwester in der von palästinensischen Terroristen entführten „Landshut“. Im Interview spricht die Apothekerin über die fünf Tage der Angst – und erklärt, warum das Erlebte für sie abgehakt ist.

Wie oft denken Sie an die Tage in der „Landshut“?

Eigentlich nur, wenn ich darauf angesprochen werde – oder im Fernsehen etwas läuft, zum Beispiel über die RAF.

Hatten Sie Angst?

Natürlich. Die Angst war immer da, aber nicht so wie bei anderen Geiseln, die in sich zusammengesunken sind. Ich habe die Entführung ein bisschen so erlebt, als ob ich das Geschehen von außen betrachte. Die Entführer waren brutal, aber bei zwei von ihnen hatte ich den Eindruck, dass die eigentlich von Natur aus anders sind.

Die Maschine stand immer wieder ohne Lüftung in der prallen Sonne…

Die Hitze hat allen zugesetzt. Und dieser Gestank! Die Toiletten waren voll. Ich hatte beim Anführer, der sich Captain Mahmud nannte, ein kleines Privileg: Als Pharmaziestudentin hatte ich Kreislauftropfen in der Tasche, die er sehr gerne für ältere Leute angenommen hat. Beim nächsten Stromausfall durfte ich mich an die Tür setzen.

Kannten Sie das Motiv der Entführung?

Ja. Mahmud hat dazu mehrere Stunden Vorträge auf Englisch gehalten.

Haben Sie erwartet, dass die Bundesregierung seine Forderungen erfüllt?

Meine Schwester und ich waren der Meinung, dass die das nie machen. Aber natürlich haben wir darauf gehofft.

In Aden erschoss Mahmud den Flugkapitän Jürgen Schumann. Wie haben Sie das erlebt?

Das war natürlich ein riesiger Schock, als der Pilot vor unseren Augen erschossen wurde. Die Stimmung hatte sich hochgeschaukelt, Mahmud hat ja einige Leute geradezu drangsaliert. Ich nehme an, dass er sich mit Medikamenten wach gehalten hat und dadurch so aggressiv und überdreht war. Es war eine zum Zerreißen gespannte Luft im Flugzeug. Man merkte, Mahmud suchte jemanden, dem er etwas antun konnte. Nach dem Mord am Piloten wirkte er beinahe gelöst.

Wie beurteilen Sie heute die harte Haltung der Regierung Schmidt?

Ich finde es richtig, dass man sich nicht erpressen ließ. Wir hätten sterben können, aber ich sage mir immer, wir sind nur gut 80 Leute gewesen. Was sind 80 Leute gegen eine ganze Nation?

Nun soll die „Landshut“ zum Lernort werden.

Es ist gut, dass die Regierung das Flugzeug zurückgeholt hat. Ich war schon in Friedrichshafen. Ich war erst mal enttäuscht, diese kleine Maschine da zu sehen. Ich hab‘ dreimal gefragt, ob die in der Zwischenzeit eingelaufen ist. Wie die Ausstellung aussehen soll, ist mir noch nicht so ganz klar.

Die Bundeszentrale für politische Bildung will das Wrack weitgehend so zeigen, wie man es in Brasilien vorgefunden hat. Ist das der richtige Weg?

Es sollte zumindest irgendwie erkennbar sein, dass es das Flugzeug von damals ist. Vielleicht kann man ja einen Teil des Rumpfes wieder lackieren und ein paar Sitze montieren.

Welche Botschaft sollte dieser Ort vermitteln?

Eigentlich, dass alles ein gutes Ende nehmen kann, wenn man die richtigen Entscheidungen trifft. Aber es wird schwierig. Viele in der heutigen Generation wissen ja gar nicht mehr, was Mogadischu war.

Terrorismus ist heute allgegenwärtig. Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Nachrichten darüber hören?

Manchmal habe ich Angst. Wenn ich heute noch einmal in der Maschine säße, hätte ich größere Angst als damals, weil ich weiß, dass die Menschen viel radikaler geworden sind. Ich bin ängstlicher geworden – vielleicht eine Frage des Alters.

Reisen Sie noch gern?

Ja. Ich bin auch gleich wieder geflogen – ein Jahr später sogar noch einmal mit der „Landshut“. Ein Kollege hat mich darauf aufmerksam gemacht. Leider habe ich es nicht fotografiert. Man hatte ja noch kein Smartphone zur Hand.

Sie sind eingestiegen?

Natürlich. Es hat mir nichts ausgemacht – ich fand das eher lustig als erschreckend.

Das klingt, als seien Sie darüber hinweg.

Ich glaube nicht, dass ich heute noch Schwierigkeiten habe, darüber zu reden, auch meine Schwester nicht. Wir waren froh, weiterleben zu dürfen.

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