München – Arne Manzeschke ist Professor für Ethik und Anthropologie. Er leitet das Institut für Pflegeforschung, Gerontologie und Ethik an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat Manzeschke die Entwicklung des sozialen Roboters „Navel“ von Anfang an begleitet.
Herr Manzeschke: Werden wir uns in Zukunft an Roboter in der Altenpflege gewöhnen müssen?
Ja, denn angesichts der demografischen Entwicklung werden wir die Überalterung und den Personalmangel auch durch Technik kompensieren müssen. Die ethische Frage ist, in welchen Bereichen man Roboter einsetzt. Ich glaube, relativ unkritisch sind zum Beispiel Transport- oder Putzroboter, die den Pflegekräften einfache Arbeiten abnehmen. Problematisch wird es, wenn wir soziale Roboter einsetzen, um die Einsamkeit alter Menschen zu lindern. Damit sie überhaupt noch mit etwas reden, stellen wir ihnen Roboter hin. Dagegen gibt es eine starke moralische Forderung: Roboter dürfen die Zwischenmenschlichkeit nicht ersetzen. Wir sollten uns fragen, in welchen Bereichen wir welche Robotik einsetzen wollen und was genau sie dort eigentlich leisten soll.
Soziale Roboter haben viel Geduld und Empathie. Sind sie nicht sogar die besseren Gesellschafter?
Roboter haben keine Geduld und Empathie, das sind Maschinen. Wenn Navelzum 25. Mal die gleiche Frage beantwortet, hat das nichts mit Geduld oder Empathie zu tun, sondern schlicht damit, dass das Ding so programmiert wurde. Als Ethiker und Anthropologe ist mir wichtig zu betonen: Dahinter stecken keine menschlichen Charaktereigenschaften oder Fähigkeiten, sondern ein Programm. Wir müssen vorsichtig damit sein, menschliche Eigenschaften auf Maschinen zu übertragen. Das führt uns auf Abwege.
Soziale Roboter imitieren menschliche Emotionen. Sitzen wir einer Täuschung auf, wenn wir mit ihnen interagieren?
Nicht, solange wir wissen, dass wir es mit Robotern zu tun haben. Es ist eher wie ein Spiel: Wir tun so, also ob wir es mit einem Menschen zu tun hätten. Genauso wie im Kino oder im Theater versetzen wir uns in eine Welt hinein. Wenn der Held der Tragödie stirbt, dann weinen wir vielleicht sogar und leiden mit. Das Spiel spricht uns emotional an. Ähnliches kann bei Robotern auch passieren. Problematisch wird es, wenn kognitiv eingeschränkte Menschen, wie zum Beispiel an Demenz Erkrankte, nicht mehr zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden können.
Wie müssen Pflegebedürftige und Angehörige aufgeklärt werden, damit sie mit dieser neuen Technologie angemessen umgehen können?
Die Aufklärung müsste darin bestehen, dass wir Lernräume haben, wo wir in einer sicheren Umgebung den sozialen Umgang mit Robotern üben können. Denn es handelt sich hier nicht nur um die Anwendung eines gewöhnlichen Werkzeugs. Wenn ich mir eine Waschmaschine kaufe, dann lese ich die Bedienungsanleitung und weiß danach, welche Knöpfe ich drücken muss. Wenn ich aber mit einem humanoiden, sozialen Roboter interagieren soll, dann brauche ich vorher Räume, in denen ich das ausprobieren kann: Was heißt das, mit so einem Roboter umzugehen? Dafür haben wir als Gesellschaft noch keine Blaupause. Wir bemerken das an so einfachen Fragen wie zum Beispiel, ob ich mich jetzt bei dem Ding bedanken soll oder nicht. Dafür müssen wir erst noch Umgangsformen entwickeln.
Wie sollte ein verantwortungsbewusster Einsatz von sozialen Robotern in der Altenpflege aussehen?
Wir konnten noch keine Langzeitbeobachtungen sammeln, vieles wissen wir noch nicht. Deshalb müssen wir den fortschreitenden Einsatz genau beobachten und wissenschaftlich begleiten. Wir neigen dazu, zu denken, dass neue Technologien unser Leben vereinfachen. In diesem Fall fordert die Technologie aber erst mal mehr von uns. Denn wir müssen überlegen: Was müssen wir können, um mit diesen leistungsfähigen, intelligenten Robotern gut umzugehen? Wie wollen wir diese Maschinen gestalten, damit sie gut für Bedürftige, Personal und Angehörige sind? Das ist ein komplexes Problem, weil soziale Interaktion sich nicht vollständig programmieren lässt, sondern immer spontan abläuft. Wenn Menschen mit Robotern interagieren, wird immer etwas Unvorhergesehenes passieren. Es kommt auch darauf an, dass wir Roboter sicher gestalten und uns als Gesellschaft darauf einigen, was uns in dieser Hinsicht wichtig ist. Aber da sind wir noch ganz am Anfang.