Einsamkeit? Da haben wir keine Lust drauf!

von Redaktion

Suchen gemeinsam ihr Glück: Maria Sommer, Gloria Walther, Waltraud Burmeister, Monica von Büldring (von links). © Foto: Max Wochinger

Markt Schwaben – Alleine alt werden? Das kommt für die vier Damen aus Markt Schwaben (Kreis Ebersberg) überhaupt nicht infrage. Maria Sommer, Gloria Walther, Monica von Büldring und Waltraud Burmeister leben zusammen mit zwölf anderen in der „Hausgemeinschaft 60+“, einem Wohnprojekt für Senioren mit Blick ins Grüne. Jede Bewohnerin und jeder Bewohner hat hier eine eigene Wohnung, doch im Garten oder in der Gemeinschaftswohnung, die es hier auch gibt, wird viel Zeit miteinander verbracht. Einsam muss sich niemand fühlen – dafür sorgen schon die flippigen Nachbarinnen. Mit Spaziergängen, Kaffee und der Freude am Leben.

Die Idee für das Projekt kam bei einer Leberkässemmel

Vor dem Umzug in die Hausgemeinschaft lebten die Frauen in Wohnungen in der Umgebung. Sie waren verheiratet, hatten Kinder, ließen sich später von ihren Männern scheiden. Monica von Büldring (86) fühlte sich nach der Scheidung einsam – trotz ihrer Kinder. „Ich habe mich damals gefragt, wie es jetzt weitergeht.“ Ihr wurde klar, dass sie selbst aktiv werden muss; andere Menschen würden nicht auf einen zukommen, sagt von Büldring.

Ähnlich verlief das Leben der gebürtigen Engländerin Gloria Walther: Sie wohnte früher in einer kleinen Dachgeschosswohnung in Markt Schwaben. Einen Lift hatte die Wohnung nicht, deshalb wollte sie ausziehen. „Ich habe dann von dem Wohnprojekt hier gehört und bin zu einigen Treffen gegangen. Hier zu wohnen, das konnte ich mir erst nicht vorstellen“, sagt die 84-Jährige. 2016, als das Haus fertiggestellt wurde, zog sie aber doch ein. „Hier fühle ich mich sicher“, sagt sie heute.

Die Idee für das gemeinschaftliche Wohnprojekt hatte Maria Sommer (75) – beim Leberkässemmel-Essen, wie sie erzählt. „Ich war zusammen mit einem befreundeten Ehepaar und wir hatten den Wunsch, nicht alleine leben zu müssen”, erzählt die fitte Rentnerin. Eine Wohnbaugesellschaft kam dazu, passende Grundstücke wurden gesucht und später ein Stammtisch eröffnet: Im Wirtshaus in Markt Schwaben lernten sich die späteren Bewohner kennen.

Die Bewohner feiern zusammen – und teilen Probleme

Vor gut acht Jahren wurde das Wohnprojekt schließlich eröffnet – und seitdem leben die Damen hier. Sieben Nationalitäten unter einem Dach. Frauen, Männer, Ehepaare „Einsam habe ich mich hier noch nie gefühlt“, sagt Maria Sommer. „Aber ich kenne so viele Menschen in meinem Alter, bei denen Einsamkeit ein großes Problem ist.“ Einsamkeit ist in Deutschland eine oft unerkannte Bürde. Personen über 75 Jahre seien am stärksten betroffen, heißt es im sogenannten Einsamkeitsbarometer 2024 des Bundesfamilienministeriums.

Aber Einsamkeit ist keine Altersfrage. Während des ersten Pandemiejahres 2020 waren jüngere Menschen sogar mehr betroffen. Nach Zahlen des Barometers waren die 18- bis 29-Jährigen mit knapp 32 Prozent stärker belastet als die 75-Jährigen und noch Älteren mit einer Einsamkeitsbelastung von 23 Prozent. „Ebenso zeigen die Daten, dass Frauen eher eine erhöhte Einsamkeitsbelastung aufweisen als Männer, wobei die Pandemie diesen Effekt sogar noch verstärkt hat“, heißt es in der Studie.

Einsamkeit hat erheblichen Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit. Depressive Störungen, Selbstmordgedanken oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Menschen, die sich einsam fühlen, leiden oft unter sehr starken Belastungen (siehe auch Interview). Soziale Beziehungen seien eine Ressource für ein gesundes Leben, heißt es im Einsamkeitsbarometer.

In der Hausgemeinschaft in Markt Schwaben kennt man dieses Rezept schon lange – und es wird dort jeden Tag ausgelebt. „Eine Gemeinschaft zu haben, ist wichtig“, sagt die 72-jährige Waltraud Burmeister. „Wir versuchen hier, in Freude miteinander zu leben. Es gibt Filmabende, und wir feiern Geburtstage und Weihnachten zusammen.“ Jeden Mittwochmorgen trifft sich die Gruppe zum Gehen, man spielt auch Boule oder geht auf Konzerte. Die Bewohnerinnen helfen einander, aktiv zu bleiben. „Wir feiern zusammen, aber wir teilen auch unsere Probleme“, sagt Gloria Walther.

Vor einigen Jahren hatte sich Maria Sommer das Sprunggelenk gebrochen. „Die anderen haben immer wieder bei mir geklingelt, ob sie mir was vom Supermarkt mitnehmen können oder mich zur Physio fahren sollen. Das ist wirklich ein schönes Gefühl, wenn man nicht alleine ist“, erzählt sie. Hier in der Hausgemeinschaft helfen die Nachbarn – mit Einkäufen und mit seelischem Beistand.

Auch anderen zuzuhören, ist gut gegen Einsamkeit

Monica von Büldring sagt, sie sein ein emotionaler Mensch. Und im Alter sei man schwach. „Es kommt schon vor, dass es lange Tage gibt, wo man keine Lust hat und einfach nur vor dem Fernseher hockt.“ Das sei nicht gut, sagt sie. „Gegen die Einsamkeit hilft nur Rausgehen und sich mit Menschen treffen. Oder ich beschäftige mich mit etwas. Ich bin kreativ und bastle gerne“, sagt die 86-Jährige. Als einsamer Mensch müsse man sich fragen, was man machen möchte – und dafür dann andere Menschen suchen.

„Wenn mir langweilig ist, besuche ich die anderen und höre ihnen zu“, sagt Maria Sommer. „Es ist schön, das Ganze für sich umzudrehen: Also nicht zu sagen, dass sich keiner um einen kümmert. Sondern ich frage mich, für wen ich nützlich sein kann.“ Einfach mal den anderen zuhören, ist ihr Rat an einsame Menschen.

Die vier Damen sprechen an diesem schönen Herbsttag auch über eine andere Bewohnerin ihrer Hausgemeinschaft: Sie ist gestürzt und jetzt nicht mehr so mobil. „Wir müssen auf sie aufpassen und uns etwas einfallen lassen“, sagt Maria Sommer zu den anderen. „Sonst driftet sie ab und versauert uns.“ Aber auf die Mitbewohnerinnen der Hausgemeinschaft ist Verlass: „Wir holen sie raus aus der Wohnung“, sagen sie. Den einsam fühlen muss sich hier niemand.

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