Die Einsamkeit der Berge findet man gerade am Wochenende immer schwerer. Hier rasten viele Wanderer gleichzeitig am Gipfel des Jochbergs am Walchensee. © Picture Alliance
Sport ist sein Leben: Peter Baumeister (32) fährt fast jedes Wochenende in die Berge. © Foto: Max Wochinger
München – Peter Baumeister war wandern in Patagonien, Radfahren in Peru und Skilaufen in Norwegen. Der 32-jährige Münchner war schon an vielen tollen Orten, um Sport zu treiben – doch Oberbayern, sagt er, sei etwas ganz Besonderes. „Der Alpenrand ist ein großes Spielfeld, wo man sich austoben kann. Dazu die ganzen Seen und München als Stadt mit vielen Parks.“ Nicht zu vergessen: die bayerische Kultur und „geiles“ Essen, wie Baumeister sagt. „Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, wo so viel vereint ist.” Mit seiner Begeisterung für Oberbayern ist er nicht allein: Hunderttausende Sportler in der Region gehen hier ihren Hobbys und Abenteuern nach.
Baumeister hat früher „nur“ Tennis und Fußball gespielt, in Penzberg, wo er aufgewachsen ist. Erst später entdeckte er die Liebe zum Outdoor-Sport. Jetzt hat er ein Dutzend Hobbys: Mountainbiken, Trailrunning, Laufen, Squash, Beachvolleyball, Bouldern und Rafting gehören dazu. „Im Sommer mache ich fast jeden Tag Sport, ungefähr ein bis zwei Stunden am Tag“, sagt er. Und fast jedes Wochenende geht es in die Berge.
Allein München hat 620 Sportvereine
Der Sport gibt ihm ein gutes Gefühl – und das jedes Mal, sagt er. „Ich komme beim Sport immer runter. Und ich liebe den Spaß und die spielerische Komponente wie beim Tennis. Ich bin kein Fitnessstudio-Typ.“ Dass er so viel Zeit für all die Sportarten hat, liegt an seinem Beruf, der aus seinen Hobbys entstanden ist: Er produziert Abenteuerfilme und macht Werbung für Outdoor-Marken. Seine Freizeit, sein Beruf, sein Freundeskreis, alles dreht sich um den Sport.
Allein in München gibt es 620 Sportvereine – mit fast 300 000 Mitgliedern. Rein rechnerisch ist damit jeder fünfte Einwohner der Stadt in einem Sportverein, rechnet Christian Wanner vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) vor. Zählt man auch noch den FC Bayern dazu, kommen die Münchner Sportvereine auf fast 593 000 Mitgliedschaften.
Die Landeshauptstadt ist damit Spitzenreiter unter den bayerischen Städten: In Nürnberg gibt es nach Zahlen des BLSV 226 Vereine mit über 121 000 Mitgliedern; in Augsburg sind es 152 Vereine und gut 86 000 Mitgliedschaften. Doch auch in den ländlichen Gebieten ist der Sportverein ein wichtiger Teil im Leben der Menschen. Allein in Oberbayern gibt es mehr als 2450 Vereine mit insgesamt 1,15 Millionen Mitgliedern – und da ist München nicht mal eingerechnet.
Auch in den Bergen wird es enger
„Die Entwicklung der bayerischen Sportlandschaft ist aktuell sehr positiv zu sehen. Die Mitgliedschaften in den Vereinen steigen weiter an“, sagt Wanner im Gespräch mit unserer Zeitung. Man beobachte seit dem Ende der Corona-Pandemie einen stetigen Aufschwung, besonders bei Kindern und Jugendlichen. „Der Kinder- und Jugendbereich hat sogar erstmals in 2023 die Marke von zwei Millionen Mitgliedern überschritten. In der Summe stellen die Nachwuchssportlerinnen und -sportler mehr als 40 Prozent aller Mitgliedschaften in Bayern.“ Insgesamt sei fast jeder dritte Mensch in Bayern Mitglied in einem Sportverein. Die Bayern, das machen die Zahlen deutlich, sind sehr sportlich.
Auch die Mitgliederzahlen des Deutschen Alpenvereins (DAV) explodieren. Der Verein ist nach eigenen Angaben mit rund 1,5 Millionen Mitgliedern der größte Bergsportverband der Welt. In Bayern ist der DAV von 619 000 Mitgliedern im Jahr 2015 auf mehr als 811 000 Mitgliedschaften in 2023 angewachsen – das sind fast 200 000 Neumitglieder in acht Jahren. Noch deutlicher ist der Zuwachs in der DAV-Sektion München und Oberland. Hier ist die Zahl der Mitgliedschaften von 125 000 in 2010 auf 194 000 im vergangenen Jahr gestiegen. „Die Leute haben die Berge wieder für sich entdeckt“, sagt Markus Block von der DAV-Sektion.
Das zieht auch negative Seiten nach sich. Überfüllte Regionalzüge in die Berge, Staus auf den Straßen und volle Wanderparkplätze. Die Infrastruktur wächst nun mal nicht mit der Zahl an Bergbegeisterten und Mitgliedern des DAV. Naturschützer und Behörden kritisieren das Verhalten einiger Bergtouristen; die Vorschriften zu den Schongebieten in Bergen und Wäldern würden oft nicht beachtet. Immer wieder gibt es auch Meldungen über Wanderer, die mit falscher Ausrüstung und fehlenden Kenntnissen in die Berge kommen. So endet manche Tour im Krankenhaus: Erst im September waren Wanderer im Tiroler Karwendelgebirge von einer Lawine überrascht worden.
Auch mancher Sportverein gelangt an seine Kapazitätsgrenze. Der Münchner Tennisverein MTC Ausstellungspark zum Beispiel hat im Oktober seine Warteliste für neue Mitglieder geschlossen. Wegen der anhaltend hohen Mitgliederzahl will der Verein nur noch vereinzelt Tennisspieler aufnehmen – und nur, wenn zuvor Mitglieder aus dem Verein austreten. Eine Aufnahme in den Verein sei auf absehbarer Zeit nicht möglich, teilte der Verein mit.
Es fehlt an Hallen, Plätzen – und Personal
Der Vereinssport stoße bei Hallen- und Trainingsplatzzeiten sowie bei der Anzahl an Engagierten im Ehrenamt zunehmend an seine Grenzen, teilt dazu der BLSV mit. Der Fachkräftemangel mache sich auch bei den Vereinen bemerkbar: „Die Aus- und Weiterbildung von Übungsleitern und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bildet die Grundlage für eine positive Mitgliederentwicklung”, sagt Christian Wanner.
Von den Auswirkungen des Sporttrends ist manchmal auch der Bergsportler und Tennisspieler Peter Baumeister genervt. „Im Winter muss ich den Hallenplatz fürs Tennis schon Wochen vorher buchen“, sagt er, „sonst bekommt man nur Plätze am späten Abend.” Es bräuchte ein größeres Angebot, doch auch er weiß, dass der Raum in München begrenzt ist.
In den Alpen fehlt ihm inzwischen oft der Abenteuerreiz – weil die Berge so gut erschlossen seien, mit den Hütten, Wegen und Seilbahnen. „Das ist Fluch und Segen zugleich“, sagt der 32-jährige Münchner. „Ich war erst auf dem Jochberg, da ist immer viel los, selbst wenn es regnet.“ Wenn man sich aber ein wenig umschaue, finde man schon noch ruhige Plätze in den Bergen. „Unter der Woche am Vormittag ist auch viel weniger los.“ Und oben auf dem Gipfel, sagt der Abenteurer, verstehen sich die Menschen ohnehin. Auch, wenn es viele sind.