INTERVIEW

„Wir müssen Besucher lenken und das Verhalten anpassen“

von Redaktion

Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein über den Boom der Berge und die daraus resultierenden Probleme

Stefan Winter ist Ressortleiter für Sportentwicklung in der DAV-Bundesgeschäftsstelle in München. © Tobias Hase/privat

München – Der Deutsche Alpenverein (DAV) ist mit rund 1,5 Millionen Mitgliedern der weltweit größte Bergsportverband. In den vergangenen Jahren ist der Verein weiter gewachsen. Vertragen das Bayern und die Berge? Darüber haben wir mit Sportentwickler Stefan Winter vom DAV gesprochen.

Herr Winter, der DAV in Bayern ist in den vergangenen Jahren auf über 810 000 Mitglieder gewachsen. Warum ist der Verein so beliebt?

Viele Menschen haben das Bedürfnis, sich als Ausgleich zu einer zunehmend technisierten Welt in Beruf und Alltag in der Natur aufzuhalten. Die Alpen und Mittelgebirge bieten dabei faszinierende und vielfältige Möglichkeiten, vom Ausflug über Freizeitsport bis hin zum Leistungssport. Insbesondere Wandern und Mountainbiken liegen im Trend, aber auch künstliche Kletteranlagen als urbaner Sport – und die Sektionen des DAV haben hier passende Angebote wie Ausbildung, Touren und gesellige Treffen.

Welche Rolle spielen Soziale Medien wie Instagram?

Die Sozialen Medien befeuern die Sehnsucht nach Natur und spannenden Erlebnissen, indem sie mithilfe von professionell produzierten, schönen alpinen Landschaftsbildern und motivierenden Actionvideos das Bedürfnis wecken, in die Berge zu gehen.

Finden Sie das gut?

Gut finde ich, dass man aus Instagram eine gewisse Inspiration ziehen kann und man auf Unerwartetes stößt. Problematisch sehe ich, dass es ein Zeitfresser ist und man noch mehr Zeit am Bildschirm verbringt, die man beim Sport verbringen könnte.

Welche Probleme bringen die vielen Bergsportler?

Viele Menschen auf so begrenztem Raum schaffen infrastrukturelle Probleme wie Parkplatznot, Autostaus, Verpflegungsengpässe in der Gastronomie oder Schlangestehen an Seilbahnen. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Wirkung auf die Natur wie Wildtierstörung oder Trittschäden. Dazu kommt, dass Menschenmassen in der Regel das Stressempfinden steigern, vor allem, wenn Einschränkungen des persönlichen Erlebens drohen. So etwas kann zum Beispiel in einem Klettersteig oder auf einem Berggipfel entstehen.

Wann und wo ist in den Bergen besonders viel los?

Die hohe Zahl an Bergsportlern wird vor allem bei schönem Wetter, an Feiertagen, Wochenenden und in den Ferienzeiten sichtbar. Besonders beliebt sind Touren an der Zugspitze, am Watzmann, im Allgäu, an den oberbayerischen Seen oder an schön gelegenen Berghütten und Seilbahnen.

Verträgt die Region überhaupt noch mehr?

In der Metropolregion München wohnen, arbeiten und leben weit über 2,5 Millionen Menschen, die nach Erholung, Erlebnis und Sport suchen. Die natürliche Umgebung ist aber begrenzt, sodass es an touristischen Hotspots vor allem zu Ferienzeiten und an Wochenenden kaum mehr zusätzliche Besucher und Sportler braucht. Hier braucht es sinnvolle Systeme der Besucherlenkung und angepasstes Verhalten wie antizyklisches Reisen.

Besucherlenkung – wie stellen Sie sich das denn konkret vor?

Eine Möglichkeit der Besucherlenkung ist, auf genauso schöne Alternativrouten hinzuweisen oder über ein sinnvolles Parkraummanagement zumindest die Auto-Blechlawinen besser zu verteilen. Und wer kann, der sollte beliebte Gipfelziele lieber unter der Woche ansteuern.

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