München – Auf dem OP-Tisch zu landen. Gerade bei älteren Menschen löst das Ängste aus. Und eine Angst ist die Narkose.
■ Sterben bei einer Narkose Gehirnzellen ab?
„Diese Befürchtung hält sich hartnäckig, ist aber unbegründet“, betont Professor Peter Tassani-Prell, Narkose-Chefarzt im Deutschen Herzzentrum. Das Gehirn könnte nur dann Schaden nehmen, wenn es zu wenig Sauerstoff bekäme. Während der Narkose wird es aber optimal versorgt. „Die Luft, mit der unsere Patienten in der Herzchirurgie beatmetet werden, hat einen Sauerstoffanteil von 50 bis 100 Prozent. In der Raumluft liegt der Anteil bei 21 Prozent.“
■ Macht eine Narkose dement?
Nein! Es kann zwar vorkommen, dass man nach der OP vorübergehend verwirrt ist, Ärzte sprechen dann von einem postoperativen Delir. Aber: „Es hält meistens nicht länger als 24 Stunden an, in seltenen Fällen auch mal zwei Tage“, sagt Tassani-Prell. Verwirrtheitszustände sind oft nicht nur der Narkose geschuldet. Das Gehirn muss sich auch davon erholen, dass die Körpertemperatur auf 32 Grad heruntergekühlt wurde. Keinerlei Anhaltspunkte gibt es auch dafür, dass eine Narkose Alzheimer auslösen oder befeuern kann.
■ Verwirrtheit nach der OP: Wie oft kommt das vor?
Narkose kann ein Delir verursachen kann. Ältere Menschen sind stärker gefährdet. Es gibt aber auch weitere Risikofaktoren für ein Delir. Dazu zählen Fieber, Infektionen, Demenz, Diabetes, Hormonstörungen, Suchtprobleme, neue Medikamente oder Medikamenten-Entzug.
■ Wie lässt sich das Risiko für ein Delir verringern?
Die Anästhesie hat sich verändert. Früher wurden relativ großzügig Schlaf- und Schmerzmedikamente verabreicht. „Heute weiß man, dass die Tiefe der Narkose entscheidend ist. Sie wird mit einem Gerät überwacht, das die Hirnströme misst“, sagt Tassani-Prell. Dieses sogenannte Elektroenzephalogramm (EEG) ermöglicht es, die Medikamente exakt zu dosieren.
■ Sind viele Narkosen in kurzer Folge gefährlich?
„Nein, das kann der Körper verkraften“, sagt Tassani-Prell. „Wir haben im Herzzentrum Intensivpatienten, die mehrere Tage oder noch länger sediert werden. Entscheidend ist allerdings, dass ein Sauerstoffmangel vermieden wird.“
■ Gibt es ein Mindest- oder Höchstalter für Narkosen?
Der Begriff der Narkosefähigkeit hat längst ausgedient. „Wir operieren regelmäßig hochbetagte Patienten, haben schon einem 100-Jährigen eine neue Herzklappe eingesetzt. Auch bei Frühchen sind lange Eingriffe unter Narkose möglich. Aber natürlich haben sehr junge oder sehr alte Patienten ein höheres Risiko als ein 30-jähriger Sportler.
■ Wie werden Probleme bei der OP vermieden?
Der Blutdruck wird während der OP ständig gemessen, jeder einzelne Herzschlag auf einen Monitor übertragen. Tassani-Prell: „Dadurch können wir auf einen bedenklichen Blutdruckabfall sofort reagieren und mit Medikamenten gezielt gegensteuern. Uns stehen heute wesentliche effektivere Arzneimittel zur Verfügung als in früheren Jahren.“
■ Was kann denn bei einer Narkose schiefgehen?
Jede Narkose beeinflusst durch die Anästhetika (Narkosemittel) den Kreislauf. „Wir verwenden deshalb spezielle Medikamente“, erläutert Tassani-Prell. „Auch Allergien spielen eine Rolle. Darauf sind wir natürlich immer vorbereitet.“
■ Wie groß ist die Gefahr, nicht mehr aufzuwachen?
„Dieses Risiko ist äußerst gering. Wir können heute selbst schwerkranke Patienten sehr sicher operieren“, betont Tassani-Prell.
■ Kann eine Narkose zu lange dauern?
„Die Narkose-Dauer ist kein Problem, die Patienten nehmen dadurch auch bei mehrstündigen Operationen keinen Schaden. Auf der Intensivstation werden manche Patienten sogar tage- oder wochenlang sediert“, sagt der Narkose-Spezialist. Kritischer ist der Faktor Zeit beim Einsatz der Herz-Lungen-Maschine oder bei einer abgeklemmten Aorta.
■ Sind Blutverdünner ein Narkose-Risiko?
„Blutverdünner können das Risiko für Blutungen während und nach einem Eingriff erhöhen“, räumt Professor Markus Krane ein. „Ihr Arzt wägt jedoch sorgfältig ab, ob und wann das Medikament pausiert oder angepasst werden sollte.“
■ Wie groß ist die Gefahr für Krankenhaus-Keime?
„Das Risiko ist insgesamt sehr gering, da Krankenhäuser hohe Hygienestandards einhalten. Patienten mit geschwächtem Immunsystem können allerdings etwas anfälliger sein. Gründliche Hygiene bleibt der beste Schutz“, sagt Krane.
■ Muss ich nach dem Eingriff Schmerzen aushalten?
„Nach einer OP hat heutzutage niemand mehr extreme Schmerzen. Wir haben Medikamente und Methoden zur Verfügung, um den Patienten viel effektiver als früher helfen zu können“, erläutert Krane. In der modernen Medizin sei es sehr wichtig, dass die Patient nach der OP schmerzfrei sind, um sie möglichst früh mobilisieren zu können.
■ Und wenn der Operateur einen schlechten Tag hat?
„Durch strenge Standards und Checklisten wird das Risiko menschlicher Fehler, ähnlich wie im Flugverkehr, so gering wie möglich gehalten“, erklärt Krane.
■ Woher weiß ich, dass der Operateur gut ist?
Der Operateur sollte eine umfassende Ausbildung und einen entsprechenden Facharzttitel haben. Achten Sie auf unabhängige Zertifizierungen. Als Faustregel gilt: Ein guter Operateur braucht Erfahrung und Routine. „Er sollte einen Eingriff schon häufig vorgenommen haben und ihn immer noch oft vornehmen. Das verbessert das Ergebnis und erhöht die Sicherheit“, sagt Markus Krane.
■ Und wenn man vor der OP ohnmächtig wird?
„Wenn der Patient sehr nervös ist beziehungsweise große Angst vor dem Eingriff hat, bekommt er Beruhigungsmittel zur Entspannung“, beruhigt Professor Krane. „Das medizinische Team ist auf solche Situationen vorbereitet und sorgt dafür, dass Sie sich sicher fühlen.“
ANDREAS BEEZ