Die skurrile Geschichte der Telefonauskunft

von Redaktion

Die Deutsche Reichspost setzte ab 1889 vor allem Frauen ein, weil sie „höflicher“ waren – und erteilte ihnen ein Heiratsverbot

Lioba Nägele vom Museum für Kommunikation. © Kösling

Frankfurt – Wann es die erste Telefonauskunft in Deutschland gab? „Diese Frage lässt sich nicht mit einem genauen Datum beantworten“, sagt Lioba Nägele, die im Museum für Kommunikation in Frankfurt für die Nachrichtentechnik zuständig ist. Was man aber sagen könne, sei Folgendes, so die Kulturhistorikerin. „Sobald es Telefonnetze in Deutschland gab, gab es auch eine Auskunft.“ Von daher heißt die Antwort Berlin. Dort wurde 1881 das erste Telefonnetz in Deutschland eröffnet und das erste Telefonbuch gedruckt.

Die Gespräche wurden damals handvermittelt. Das bedeutet: Wenn man in den Anfangsjahren der Telekommunikation zu den Glücklichen gehörte, die sich einen Fernsprecher leisten konnten, rief man im Vermittlungsamt an. Dort wurde das Gespräch von einem „Fräulein vom Amt“ entgegengenommen, die per Hand und über diverse Steckverbindungen das Telefonat ermöglichte. Die Telefonistinnen halfen auch dann weiter, wenn man als Anrufer nur den Namen des gewünschten Gesprächspartners wusste, nicht aber dessen Telefonnummer. Insofern waren die Fräuleins vom Amt eben auch die Telefonauskunft.

Möglich waren Telefonate anfangs nur innerhalb des eigenen Ortsnetzes. Das erste Telefonnetz in Bayern wurde 1882 in Ludwigshafen, das damals noch zu Bayern gehörte, errichtet. Es umfasste ganze neun Anschlüsse. 1883 bekam auch München Telefon (145 Anschlüsse), zwei Jahre später folgte ein Netz in Nürnberg-Fürth. 1886 konnte man in Bayern erstmals außerhalb des eigenen Ortsnetzes, genauer gesagt zwischen München und Augsburg, telefonieren.

1950 erhielt die Auskunft ihre erste eigene Rufnummer

Bald waren so die meisten großen Städte miteinander verbunden. „Die entsprechenden Telefonbücher lagen bei einer Telefonistin am Platz, damit diese, wenn eine Nummer nicht bekannt war, nachschlagen und Auskunft erteilen konnte“, erklärt Nägele.

Ab 1889 wurden von der Deutschen Reichspost verstärkt Frauen für den Vermittlungsdienst eingesetzt. Sie waren, das hatte sich gezeigt, höflicher als ihre männlichen Kollegen. Und schlechter bezahlt werden konnten sie auch. Zudem mussten sie zwingend unverheiratet sein. Als Grund nennt das Weisungsbuch des Telefonamts Nürnberg, dass sich „aus der Verwendung von verheirateten Beamtinnen Schwierigkeiten verschiedener Art ergeben können“. Deshalb werde dem weiblichen Personal die Erlaubnis zur Eingehung einer Ehe nicht erteilt.

Einen anderen Anschluss direkt anzuwählen, so wie wir das heute kennen, das war innerhalb Deutschlands erst ab den 1920er-Jahren und flächendeckend erst nach dem Zweiten Weltkrieg möglich. 1950 erhielt die Auskunft ihre erste eigene Rufnummer. Unter der 118 kamen die Anrufer direkt bei einem Auskunftsplatz an. Angesichts der steigenden Anzahl der Telefonanschlüsse, war es für die Mitarbeiterinnen zeitlich nicht mehr möglich, die Nummern aus den jeweiligen Telefonbüchern herauszusuchen. Dafür gab es jetzt Drehständerkarteien, die in Buchstabenbereiche aufteilbar und einfach aktualisierbar waren. Von 1960 an wurde der Auskunftsdienst modernisiert und das Mikrofilmverfahren eingeführt. Mithilfe dieser Technik schafften es die Mitarbeiterinnen, immerhin 40 Anfragen pro Stunde zu beantworten.

Bis 1974 war die Auskunft gebührenfrei, was auch Gelegenheit zum Missbrauch bot. Kinder riefen zum Scherz an, Mitarbeiterinnen wurden belästigt. Ab 1974 kostete ein Anruf dann 23 Pfennig. „Die Post wollte den Missbrauch eindämmen, die hohe Auslastung reduzieren und gleichzeitig Einnahmen generieren“, erläutert Nägele. In mehreren Werbekampagnen dieser Zeit bat die Post dennoch dringlich, nicht gleich die Auskunft anzurufen, sondern zuerst das Telefonbuch zu konsultieren. 50 Jahre später ist genau das passiert. Die meisten suchen sich Telefonnummern in den (digitalen) Telefonbüchern und im Internet nun selbst heraus. Zumindest die Auskunft der Telekom ist deshalb jetzt Geschichte.
BEATRICE OSSBERGER

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