Damaskus – Mehrfach setzte der gestürzte syrische Machthaber Baschar al-Assad Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung ein. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) geht davon aus, dass immer noch geächtete Kampfstoffe in Syrien lagern. Sie befürchtet, dass die Bestände nun in falsche Hände gelangen könnten. OPCW-Generaldirektor Fernando Arias ist „ernsthaft besorgt“. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
■ Was passiert jetzt damit?
Die OPCW nahm nach eigenen Angaben Kontakt zu den syrischen Behörden auf. Die Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS), welche Assad stürzte, versprach, die Chemiewaffen vor dem Zugriff „verantwortungsloser Hände“ zu schützen. „Wir werden nicht zulassen, dass Waffen, egal welcher Art, gegen Zivilisten eingesetzt werden oder zu einem Werkzeug für Rache oder Zerstörung werden“, sagte die Miliz laut der US-Organisation SITE, die Extremismus im Internet überwacht. HTS sei bereit, „mit der internationalen Gemeinschaft in allen Fragen der Überwachung von Waffen zusammenzuarbeiten“. Das US-Militär habe „verlässliche Informationen“ über die Standorte der Waffen, sagte ein hochrangiger Beamter in Washington. „Wir tun alles, was wir können, um umsichtig sicherzustellen, dass diese Materialien niemandem zur Verfügung stehen oder sicher verwahrt werden.“ Israel beschoss unterdessen Chemiewaffenlager in Syrien.
■ Welche Einsätze gab es?
Der verheerendste Angriff fand im August 2013 in Ghuta nahe Damaskus statt und wird der Assad-Regierung zugeschrieben. Dabei wurden nach Angaben des US-Geheimdienstes mehr als tausend Menschen getötet. 2014 richtete die OPCW eine Erkundungsmission ein. Die Ermittler untersuchten über 70 Fälle und kamen zum Schluss, dass in 20 Fällen chemische Waffen eingesetzt oder wahrscheinlich eingesetzt wurden – am häufigsten Chlor, aber auch Sarin und Senfgas.
Eine zweite Einheit der OPCW, das Untersuchungs- und Identifizierungsteam (IIT) ermittelte die Verantwortlichen anhand forensischer Analysen, Zeugenbefragungen und medizinischer Untersuchungen der Opfer. Demnach verübte die syrische Armee auch die Angriffe auf Lataminah 2017, auf Sarakib 2018 und auf die von Rebellen gehaltene Stadt Duma im selben Jahr, wobei 43 Menschen getötet wurden. Den Chemiewaffenangriff im September 2015 in der Stadt Marea schrieb das IIT der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat zu.
■ Hat Assad kooperiert?
Nach dem Angriff auf Ghuta erklärte sich Syrien unter dem Druck Russlands und der USA im September 2013 bereit, der OPCW beizutreten und seine Giftgasbestände zu übergeben. 2016 verkündete die Organisation die vollständige Vernichtung von 1300 Tonnen chemischer Waffen, die von den Behörden gemeldet worden waren. 2021 entzogen die OPCW-Mitglieder Syrien das Stimmrecht, nachdem die Regierung erneut Giftgas eingesetzt hatte, obwohl sie zuvor angeblich alle Bestände hatte vernichten lassen.