Die Hipp-Karotte: Firmenchef Stefan Hipp prüft im Hof die Qualität der hauseigenen Sorte Dulcis. © Marcus Schlaf
Hier begann es: Stefan Hipp vor dem historischen Backofen, in dem früher der Zwieback hergestellt wurde. © Marcus Schlaf
Essen gerne auch selber mal ein Gläschen: Stefan Hipp mit Entwicklungschefin Doreen Welz. © Marcus Schlaf
Pfaffenhofen – Gerade häufen sich die Karotten im Hof der Hipp-Werke in Pfaffenhofen an der Ilm. Ein Großteil von der Sorte Dulcis. Andere bezeichnen sie einfach als die Hipp-Karotte. Stefan Hipp geht in die Hocke und prüft die Qualität. Er riecht, fühlt und begutachtet das Gemüse. „Es ist unsere eigene Züchtung, die vor allem bei den ersten Gläschen zum Einsatz kommt“, sagt der 56-Jährige. Zehn Jahre hat es gedauert, bis die Dulcis so war, wie er sich seine Karotte vorstellte. Mild und süß und widerstandsfähig. Aber vor allem schmecken sollte sie.
Stefan Hipp ist nicht nur Unternehmer, sondern auch Landwirt. Saatgut, Gemüseanbau, Tierhaltung – das interessiert ihn. Und er ist Vater von drei Kindern. Seine Tochter (20) und die beiden Söhne (5 und 2,5) haben ihre ersten Beikosterfahrungen mit dem Dulcis-Karottenbrei gemacht. Wie schon Stefan selbst, er allerdings noch mit anderen Sorten.
Die eigenen Zwergerl testen neue Produkte
Die Dulcis steht für vieles in dem heute internationalen Konzern: Neue Ideen, nachhaltige Wege, das „Beste für und aus der Natur“, wie es in einem bekannten Firmenslogan heißt. Trotz aller Innovationen bleiben viele Produkte über Jahrzehnte im Sortiment. Beispielsweise der Karotten-Früchtesaft, der seit 1962 auf dem Markt ist. Inzwischen heißt er Multifrucht mit Karotte. „Er schmeckt für mich immer noch so wie in meiner Kindheit“, sagt Stefan Hipp. Jeden Tag mische er sich eine Schorle mit dem Saft, erzählt er. So wie er auch jede Woche ein Pasta-Bambini-Menü verzehrt. „Wenn ich keine Zeit für ein Mittagessen habe, ist das ideal“, sagt er. „Ich habe immer ein paar Menüs und Gläschen zur Reserve in der Schreibtischschublade.“ Stefan Hipp kann auch Marketing.
Die besten Tester für neue Produkte sind die Zwergerl im unternehmenseigenen Naturkinderhaus in Pfaffenhofen. Erst jüngst sollten sie die neuen Geschmacksrichtungen der Urkorn-Dinos, ein Artikel aus der Snackpalette, probieren und bewerten. Die Lieblingsversion der Kita-Kids – „Cranberry, Johannisbeere mit Urgetreide“ – hat es dann in die Verkaufsregale geschafft.
Bis ein Produkt ins Sortiment kommt, muss es zig Abteilungen durchlaufen. Allen voran die Entwicklungs- und Forschungsabteilung von Doreen Welz. Die Lebensmitteltechnologin und ihr Team greifen Trends in der Ernährung auf, reagieren auf Studien und neue Vorgaben. Jedes Produkt werde allein auf 1200 Schadstoffe getestet, erklärt sie. 260 Kontrollen muss jedes Gläschen passieren, bevor es das Werk verlässt. „Wir gehen über Mindestanforderungen hinaus und definieren zusätzliche Hipp-Standards“, sagt Welz. Gulasch mit Spätzle ist das neueste Produkt.
Wie es ankommt, muss sich aber erst noch zeigen. Jedes Jahr werden um die 20 Prozent des Sortiments verändert. Klassiker wie Pasta Bolognese, Apfel-Banane oder Karotte mit Fleisch bleiben immer, andere eben nicht. Das war schon immer so.
Georg Hipp brachte von einer Reise in die USA in den 1950er-Jahren die Idee für Babynahrung in Dosen mit. Am Anfang umfasste das Angebot vier Sorten, darunter Karotte mit Leber. Schon 1956 setzte der Pionier auf ökologischen Landbau, stellte den Familienhof auf Bio um und führte 1959 das Gläschen ein.
In jedem Land gibt es andere Vorlieben
Inzwischen gibt es Hipp-Babynahrung in 60 Ländern. „80 Prozent sind überall gleich, der Rest variiert“, erklärt Stefan Hipp. Die Franzosen zum Beispiel lieben Gerichte mit Artischocken, Briten mit Lamm, in Polen werden Suppen nachgefragt und insgesamt immer häufiger auch Veganes. Doreen Welz: „Wir haben auch neue Trends wie Couscous statt Reis oder Süßkartoffel statt herkömmlicher Kartoffel.“ Die mögen auch die Großen: Jedes fünfte Gläschen wird laut Hipp von Erwachsenen gegessen.
Auch wenn der Konzernsitz 1999 nach Sachseln in der Schweiz verlegt wurde, ist die Familie Hipp tief in Pfaffenhofen verwurzelt. Anfangs verkaufte sie in ihrer Konditorei Lebkuchen und Bienenwachskerzen (siehe Artikel unten). Dass die Straße des Firmengeländes Georg-Hipp-Straße heißt, ist also kein Zufall. Die Vitrinen in einem der ältesten Gebäude zeugen von der Entwicklung des Unternehmens: vom ersten Babybrei aus Zwiebackmehl bis zu den neusten Entwicklungen bei der Säuglingsmilch. „Da werden wir nächstes Jahr mit einer Milch mit ganz neuem Standard auf den Markt kommen und noch näher an die Muttermilch herankommen“, sagt Stefan Hipp. Milchpulver ist vor allem auf dem asiatischen Markt das gefragteste Hipp-Produkt.
Das Unternehmen produziert heute an fünf Orten in Europa. In Herford in Nordrhein-Westfalen ist das Milchwerk. In Ungarn, Österreich und Kroatien wird auch Beikost hergestellt. Die Lieferanten von Gemüse und Fleisch unterliegen strengen Bio-Richtlinien. Das ist nicht immer einfach, wie Stefan Hipp einräumt: „Unsere Landwirte bekommen zum Beispiel den Starkregen zu spüren. Durch das viele Wasser kommt mehr Nitrat in die Karotten, die wir so für Babynahrung nicht abnehmen können. Wir versuchen dann zu helfen, dass die Bauern andere Abnehmer finden.“ Aus Italien bezieht er seit vielen Jahren Birnen. Ob das in 15 Jahren noch so ist, bezweifelt der Firmenchef. „Die Trockenheit ist für die Bauern ein existenzielles Problem. Die Erträge gehen massiv zurück.“
Der Klimawandel macht auch ihn nachdenklich. Wie können Rohstoffe langfristig in der gewünschten Qualität beschafft werden? „Die einzige Chance sehe ich in der ökologischen Landwirtschaft“, sagt er. „Das Bewusstsein dafür muss noch viel mehr gestärkt werden, auch in der Politik. Produkte, die durch konventionelle Verfahren Schäden an der Natur verursachen, müssten teurer sein als jene, die unserem Klima und unserer Umwelt nutzen.“ Eine Senkung der Mehrwertsteuer für Bio-Produkte, sagt er, wäre ein wirkungsvolles Instrument.
Mehr Recycling bei den Verpackungen
Doreen Welz bringt das neue Gulasch aus ihrer Versuchsküche. Und einen neuen Snack: den Prototyp einer Obst- und Gemüsestange, ein sogenanntes Extrudate-Produkt. Extrudate sind mit Wärme und Druck aufgeschlossene Getreide. Der Snack ist aus Mais oder Reis, eine Art Erdnussflip, nur gesünder. Es ist bereits der dritte Ansatz für die Snackstange. Die Form muss gut erhalten bleiben, die Aromen klar erkennbar sein. Die Neukreation ist endlich reif für den Härtetest: die Kinder im Kinderhaus.
Im Fokus des Jubiläumsjahrs steht die „Verpackungsmission“. In Zukunft sollen alle Verpackungen zu mindestens 90 Prozent recycelbar sein. Vor allem der Quetschbeutel (Quetschie) bekommt eine neue, wiederverwertbare Folie.
Stefan Hipp sagt, er wolle auch künftig keine Kompromisse bei der Produktqualität eingehen. „Das hat weder der Großvater noch mein Vater gemacht. Ihnen ging und geht es immer um die bestmögliche Qualität, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und eine Offenheit gegenüber neuen Ideen, die zu unseren Werten passen.“ Dafür stehe „die ganze Familie mit ihrem Namen. Auch nach 125 Jahren.“