Der DNA-Detektiv Alexander Alberts-Dakash hat schon viele Stammbäume erforscht. © PIUS NEUMAIER
Alexander Alberts-Dakash ist der DNA-Detektiv, der Marion Becker bei der Suche nach ihrem Vater geholfen hat. Der Anfang-40-Jährige aus Hannover berichtet, wie er bei der Familiensuche vorgeht – und welche Rolle Gene in unserem Leben spielen.
Wie wird man DNA-Detektiv?
Es gibt unterschiedliche Wege in diesen Beruf. Die meisten haben genealogisches Vorwissen. In meinem Fall kam es durch meine eigene Suche nach meiner biologischen Familie. Dabei habe ich viel über DNA-Genealogie gelernt und mir immer mehr autodidaktisch beigebracht. Man muss sich auch mit Ahnenforschung auskennen und alte Quellen lesen können. Ich habe viele Jahre an der Uni geforscht und dadurch das Recherchehandwerk gelernt. Außerdem besitze ich Vorwissen in den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie dem IT-Bereich und absolviere eine Ausbildung zum Privatdetektiv.
Es gibt Online-Plattformen, die jedem die Ahnenforschung leicht machen. Welche Fälle landen bei Ihnen?
In einer Online-Datenbank sind die Chancen auf einen direkten Treffer sehr gering. Wer dort einen biologischen Elternteil sucht, müsste schon das Glück haben, dass Mutter oder Vater sich dort registriert haben. Im deutschsprachigen Raum gibt es noch vergleichsweise wenige Menschen, die dafür einen DNA-Test gemacht haben. Deshalb wird man nur wenige nahe Treffer bekommen. Aus den erhaltenen Treffern muss man die richtigen Indizien generieren. Dafür ist viel Erfahrung nötig. Die DNA-genealogische Analyse ist nur der Anfang, dann ist Detektivarbeit gefragt.
Wie gehen Sie vor? Welche Hilfsmittel nutzen Sie?
Zuerst schaue ich mir die Ergebnisse der DNA-Analyse an und muss Theorien bilden, wie die Treffer mit meinen Klienten verwandt sind. Das hat viel mit Wahrscheinlichkeiten zu tun, ich muss viel berechnen. Dann beginne ich, in Archiven zu recherchieren, erstelle Stammbäume, sichte Kirchenbücher und muss herausfinden, in welchen Stadt- oder Staatsarchiven ich weitere Informationen bekommen könnte. Daraus konstruiere ich relevante Familienzweige in der Vergangenheit. Ich gehe 100, 200 oder manchmal sogar 300 Jahre zurück. Zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern, 16 Ururgroßeltern. Fast alle haben Nachfahren. Einige davon haben sich testen lassen. Bei jemandem, der adoptiert oder ein Spenderkind ist, muss ich mit dem DNA-Treffer die passende Familie finden. Wenn der richtige Zweig identifiziert ist, beginnt die Detektivarbeit. Es ist möglich, einen biologischen Vater zu finden, auch wenn er in keiner Ahnenforschungs-Datenbank registriert ist. Wenn sich etwa drei Prozent der Bevölkerung registriert haben, reicht das, um 80 Prozent der Menschen zu finden.
Gibt es Anfragen, bei denen Sie keine Chance haben zu helfen?
Ja, ich mache immer erst eine Qualitätsprüfung. Wenn die DNA-Daten zu schlecht sind, wären die Kosten so enorm, dass es besser ist abzuwarten. Es kommen ja ständig neue Leute in die Datenbank. In solchen Fällen erstellen wir verschiedene Stammbäume. Wenn es dann irgendwann einen besseren DNA-Treffer gibt, vergleiche ich diesen mit den Stammbäumen. Manchmal ist die Familie dann innerhalb von zwei Wochen gefunden.
Ihre Arbeit hat mit großen Emotionen zu tun. Wie schwer ist es, Distanz zu wahren?
Ich kann mich gut in meine Klienten hineinversetzen. Aber über die Jahre habe ich mir einen professionellen Abstand erarbeitet. Die Familiensuche ist ein emotionaler Marathon, für den man nicht trainieren kann. Es ist wichtig, Menschen um sich zu haben, die einen auffangen. Oft auch psychotherapeutische Begleitung. Bei so einer Suche stößt man manchmal auch auf Ablehnung. Egal wie alt wir sind, das trifft uns, wie wenn wir Kinder wären.
Warum ist es für uns so wichtig, unsere Wurzeln zu kennen?
Ich habe viel darüber nachgedacht, warum wir Identität über Abstammung aufbauen. In den meisten Kulturen zu allen Zeiten haben Menschen ihre Identität durch ihre Vorfahren begründet. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Das Samenspenderegistergesetz ist in Deutschland noch ziemlich neu. Dabei weiß man schon lange, dass die Kenntnis der eigenen Abstammung für Kinder wichtig ist, um eine stabile Identität aufzubauen. Die Gene haben großen Anteil daran, was wir sind. Etwa 50 Prozent, in manchen Bereichen sogar über 70 Prozent kann durch die DNA erklärt werden. Das betrifft nicht nur das Aussehen, sondern auch Persönlichkeit oder Interessen. Ich erlebe es regelmäßig, dass Spenderkinder denselben Beruf wie ihre biologischen Väter gewählt haben, ohne davon zu wissen.
Sie kontaktieren die Gesuchten für Ihre Klienten. Warum?
Ich möchte immer erst mal die Seite des Gesuchten hören. Dabei bin ich oft ein Puffer zwischen beiden Seiten. Die Daten gebe ich nur heraus, wenn die andere Person das zulässt. Das ist meist der Fall. Marion Beckers Fall ist eine Ausnahme. Verleugnung ist häufig durch Angst getrieben. Manchen fehlt der Mut, einige möchten nicht, dass der Partner von den Kindern erfährt. In solchen Fällen empfehle ich, alles erst mal ruhen zu lassen. Wenn kein Wunsch nach Kontakt da ist, muss man das akzeptieren. Und manchmal hilft Zeit.