Die Duma-Abgeordnete Maria Butina (in Rot) verkündet den Start der Initiative „Willkommen in Russland“. Mit am Tisch sitzen die westlichen Influencer Martin Held (2. v. l.), Alexander Stefanesko (4. v. l.) und Alina Lipp (2. v. r.). © TASS
Moskau/München – Als die Duma-Abgeordnete Maria Butina Ende November zu einer Pressekonferenz in Moskau lud, wurde es offiziell: Russland ist jetzt ein Einwanderungsland – zumindest für enttäuschte Rechtskonservative aus dem Westen, die genug vom Neoliberalismus und dem Zerfall traditioneller Werte haben. Butina verkündete den Start von „Wilkommen in Russland“. Die Organisation soll Menschen bei der Einwanderung unterstützen. Ein neues Visum macht das möglich. Unterstützung kommt dabei von einer Gruppe westlicher Influencer.
Maria Butina ist keine Unbekannte. Als enttarnte Doppel-Agentin saß sie 18 Monate in den USA in Haft. Ihren Sitz in der Duma bekam sie von der Regierungspartei „Einiges Russland“ geschenkt, weil sie eine fleißige Propagandistin ist. Butinas Initiative „Willkommen in Russland“ geht auf einen Präsidialerlass Wladimir Putins vom August zurück, wonach Personen, „die traditionelle russische, spirituelle und moralische Werte teilen“, fortan „humanitäre Unterstützung“ erhalten sollen.
Wenig später veröffentlichte der Kreml eine Liste mit 47 „unfreundlichen“ Staaten, deren Bürger fortan mit einem Shared-Value-Visum – einem Visum für geteilte Werte – erleichtert nach Russland einwandern können sollen. Für das Shared-Value-Visum sind keine russischen Sprach- und Geschichtskenntnisse nötig. Einzige Voraussetzung: In einem Aufsatz müssen Einwanderungswillige erklären, warum sie in Russland leben möchten und dass sie tatsächlich russische Werte vertreten. Auf der Liste der 47 „unfreundlichen” Länder stehen alle EU- und Nato-Staaten – außer Ungarn.
Bei der Pressekonferenz sitzen neben Butina auch die Vorstandsmitglieder der neuen Initiative: die Deutsche Alina Lipp, der Österreicher Martin Held und der Franzose Alexander Stefanesko. Die Australierin Sabrina Hare lässt sich live aus Sibirien zuschalten. Seit 2019 lebt sie dort mit ihren Kindern, Ehemann und Bruder. Auch Lipp, Held und Stefanesko sind nach Russland ausgewandert. Inzwischen sind sie russische Staatsbürger und berichten regelmäßig in den Sozialen Medien, wie gut es sich in Russland leben lässt. Alina Lipp stilisiert sich in ihrem deutsch-russischen Telegram-Kanal „Neues aus Russland” sogar zur Journalistin und verbreitet Propaganda und Desinformation an über 180 000 Abonnenten.
Butina hat die Influencer eingeladen, um eine Botschaft in die Welt zu senden: Russland ist eine Arche für alle, denen der Respekt vor Traditionen, familiärer Zusammenhalt und Patriotismus noch etwas bedeuten. Werte, die im Westen dem Zerfall preisgegeben seien – ein unermüdliches Narrativ russischer Propagandisten.
Auf einer Webseite wird jetzt die bisher lose Szene der Aussteiger gebündelt
Bisher war die Szene der rechtskonservativen Aussteiger in den Sozialen Medien eher lose organisiert, oft waren die Informationen über den Migrations- und Einbürgerungsprozess unzuverlässig. „Willkommen in Russland“ bündelt die Szene nun mit staatlicher Unterstützung. Auf einer Webseite findet man Informationen über den Migrationsprozess in fünf Sprachen und kann individuelle Beratungen anfragen. Die Organisation bietet sich zudem als Vermittler zu Migrationsdienstleistern und Rechtsberatungen an.
Mit „Willkommen in Russland“ dürfte für den Österreicher Martin Held ein Traum in Erfüllung gehen. Schon lange informiert und berät der IT-Unternehmer zur Übersiedlung nach Russland. Als TV-Gast rechnet er westlichen Einwanderern in Russland gute Chancen auf materiellen Wohlstand aus. Im Interview weist er auch auf die demografische Entwicklung Russlands hin: Das Land sei angesichts der anhaltend niedrigen Geburtenrate auf die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte angewiesen.
MAYANK SHARMA