Thomas Mann ließ die Villa am San Remo Drive im Jahr 1941 bauen. © Gregor Tholl/dpa
Die Villa Aurora beherbergte hunderte von Stipendiaten. Hier steigen auch die deutschen Oscarpartys. © Barbara Munker/dpa
München/Los Angeles – Die Lage rund um den San Remo Drive ist unübersichtlich. In Pacific Palisades, einem westlichen Stadtteil von Los Angeles, wüten die Brände seit Tagen besonders stark. Es gibt unterschiedliche Meldungen, wie weit die Zerstörung fortgeschritten ist, ein genaues Bild können sich die Helfer noch nicht machen. Immerhin, die Bewohner der Häuser konnten in Sicherheit gebracht werden. Das ist die gute Nachricht.
Die Schlechte ist, dass die Immobilien rund um den San Remo Drive weiterhin ein Opfer der Flammen zu werden drohen. Das ist für die Betroffenen ein Drama, aber auch auf einer zweiten Ebene fatal. Am San Remo Drive sowie ganz in der Nähe am Paseo Miramar stehen mit dem Thomas-Mann-Haus und der Villa Aurora zwei Gebäude, deren kulturhistorischer Wert aus deutscher Sicht unermesslich ist.
Die beiden Häuser verbindet ihre gemeinsame Geschichte aus der Zeit des Nationalsozialismus. 1941 ließ der vor den Nazis geflohene Literaturnobelpreisträger Thomas Mann am San Remo Drive 1550 jene weiße Villa inmitten eines Palmengartens errichten, die nicht nur für ihn und seine Familie für die kommenden zehn Jahre eine neue Heimat, sondern Jahrzehnte später auch zu einer bedeutenden Begegnungsstätte wurde. 2016 veranlasste der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Namen der Bundesregierung für 13 Millionen Dollar den Kauf des Hauses und ließ es umfangreich renovieren. Seit 2018 dient es der Pflege des transatlantischen Dialogs, der damals, in der ersten Amtszeit Donald Trumps, akut pflegebedürftig war. Konferenzen und Lesungen sind seitdem ebenso fester Bestandteil wie ein Stipendiatenprogramm, dessen Teilnehmer mehrere Monate am San Remo Drive wohnen.
Vier Kilometer Luftlinie in südwestlicher Richtung liegt die zweite deutsche Kultureinrichtung von unschätzbarem Wert. In der Villa Aurora lebten der Schriftsteller Lion Feuchtwanger und seine Frau Marta von 1943 bis 1958. Feuchtwanger machte die Villa zu einem bedeutenden Treff deutscher Intellektueller, die vor den Nazis ins kalifornische Exil geflüchtet waren. Bertolt Brecht und Max Horkheimer waren regelmäßig zu Gast, aber auch amerikanische Künstler wie Charlie Chaplin oder Charles Laughton. Seit 1995 etablierte sich das Haus als Künstlerresidenz für mittlerweile hunderte Stipendiaten.
Die Einschätzung des Trägervereins der beiden Institutionen (VATMH) klingt nur bedingt optimistisch. Das Thomas-Mann-Haus sei „bisher unversehrt“, zudem gebe es „erste Anzeichen dafür, dass Teile der Villa Aurora den zerstörerischen Bränden standhalten konnten“. Nach wie vor befinde sich das Gebäude aber „in der Gefahrenzone“. Betroffen ist nicht nur die Immobilie selbst mit ihrem Originalmobiliar, sondern auch die Bibliothek Lion Feuchtwangers mit rund 22 000 Büchern. Man müsse „mit dem Schlimmsten rechnen“, warnt deshalb der Verein.
Ähnlich düster klingt Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Sie befürchtet eine „kulturelle Katastrophe“, die beiden Häuser seien „Symbole des Exils und der Freiheit der Kunst“. Die Villa Aurora, malerisch gelegen in den Hügeln mit Blick auf den Pazifik, ist zudem ein Fixpunkt für deutsche Filmschaffende. Traditionell finden hier die nationalen Oscarpartys statt. Ob das auch bei der nächsten Vergabe im März so sein wird, ist aktuell noch völlig offen, angesichts der umfassenden Zerstörung in Pacific Palisades und der menschlichen Dramen aber auch nur ein Randaspekt.
MARC BEYER