Einfach die Karte einstecken, schon kann der Arzt die ganze Krankheitsgeschichte des Patienten sehen. © Tim Wegner/epd
München – Die elektronische Patientenakte (ePA) ist eine digitale Datei, auf der Ärztinnen und Ärzte ab dem 15. Januar wichtige Informationen über ihre Patienten eingeben müssen – aber zugleich auch die gesamte Krankengeschichte eines Patienten einsehen können. Zu diesen Daten gehören zum Beispiel verordnete Medikamente, Röntgenbilder, Operationen, ärztliche Befunde oder Arztbriefe. Der große Vorteil: Behandelnde Ärzte können auch bei neuen Patienten sofort sehen, was bisher gemacht wurde und welche Medikamente im Einsatz waren oder sind. Versicherte können von ihrer Krankenkasse verlangen, frühere schon auf Papier vorliegende Informationen zu digitalisieren. Auf längere Sicht sollen weitere Daten in der ePA angelegt werden, zum Beispiel Laborbefunde. Seit Anfang 2021 können Versicherte die elektronische Patientenakte bereits auf freiwilliger Basis über Angebote ihrer Krankenkassen nutzen. Allerdings tun das bisher weniger als ein Prozent der rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Grund sind komplizierte Anmeldeverfahren und teils nicht ausgereifte Apps zur Nutzung.
■ Was ändert sich nun?
Statt aktiv die E-Akte beantragen zu müssen, bekommen gesetzlich Versicherte sie ab dem 15. Januar automatisch. Nur wenn sie ausdrücklich widersprechen, soll dies unterbleiben (Opt-out). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht davon aus, dass nicht viele Versicherte die E-Akte ablehnen werden.
■ Kann ich widersprechen?
Die Krankenkassen sind verpflichtet, die E-Akten anzulegen und ihre Mitglieder über Widerspruchsmöglichkeiten zu informieren. Die meisten Versicherten bekamen deshalb in den letzten Wochen Post von ihrer Kasse. Zunächst wird die ePA zwar von den Kassen für alle Versicherten eingerichtet. Doch darf der Nutzung jeder widersprechen. Das müssen die Versicherten ihrer Krankenkasse per Online-Formular oder Post mitteilen. Es ist ebenso möglich, nach einiger Zeit aus der Nutzung auszusteigen und die Daten im Ordner löschen zu lassen. Die ePA soll dauerhaft freiwillig bleiben.
■ Wie läuft die Einführung?
Ab dem 15. Januar startet die ePA in drei Pilotregionen. In Hamburg, Nordrhein-Westfalen und in Franken wird die Zuverlässigkeit des Verfahrens getestet. Klappt alles, wird die ePA für das gesamte Bundesgebiet freigegeben. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet damit frühestes Mitte Februar. Versicherte, die nicht in einer Pilotregion wohnen, können aber auch schon vorher Daten in ihre ePA einstellen lassen.
■ Wie sehe ich die Akte?
Die ePA wird automatisch eingerichtet. Um darauf zuzugreifen, laden sich Versicherte die ePA-App ihrer Krankenkasse herunter und legen dort einen Zugang an. Da es sich um sensible Daten handelt, ist die Sicherheitsüberprüfung bei der Einrichtung eines Zugangs streng. Benötigt wird entweder ein elektronischer Personalausweis nebst PIN oder die elektronische Gesundheitskarte mit PIN. Diese PIN können Versicherte bei ihrer Krankenkasse anfordern. In einer Filiale der Kasse reicht der Personalausweis. Ansonsten wird die Identität der Versicherten über das Postident-Verfahren verifiziert. Über die ePA-App können Versicherte ihren Datenbestand jederzeit einsehen.
■ Kein Handy, keine App
Wer keine App einrichten kann oder will, kann dennoch von den Vorteilen der elektronischen Patientenakte profitieren. Er kann dann zwar nicht selber auf die Daten zugreifen, aber diese sind über die Versichertenkarte in der Arztpraxis abrufbar. Zudem kann die E-Akte auch über einen Desktop-Computer genutzt, in ausgewählten Apotheken oder von Berechtigten – zum Beispiel einem Familienmitglied – eingesehen werden.
■ Was sehen die Ärzte?
Ärzte sehen die Daten, nachdem sie die Gesundheitskarte ihres Patienten in die EDV der Praxis eingelesen haben. Versicherte können auch selbst Daten in die Akte hochladen, zum Beispiel Impfungen und Patientenbriefe. Zudem können sie festlegen, wer außer ihnen die Daten einsehen darf. Den Zugriff können Versicherte sowohl zeitlich als auch inhaltlich begrenzen. Dies ist auch für einzelne Praxen, Krankenhäuser oder Apotheken möglich. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung ist es zum Beispiel möglich, der Hausärztin unbegrenzten Zugriff zu gewähren, dem Radiologen aber nur einen Tag. Bestimmte Dokumente können verborgen oder dauerhaft gelöscht werden. Im Sommer ist eine Erweiterung des Datenstamms geplant. Dann dürfen Patienten auch nichtverschreibungspflichtige Arzneien oder Nahrungsergänzungsmittel in ihre Akte eintragen.
■ Was soll die ePA nutzen?
Künftig können Ärzte Behandlungen oder Medikationen sofort abrufen. Der Austausch von Daten in Papierform, zum Beispiel zwischen Krankenhäusern und Praxen, ist nicht mehr nötig. Ärzte kennen so die aktuellen Diagnosen und können, so versprechen es Krankenkassen, schneller und besser behandeln. „Sie können etwa Befunde in Ruhe durchgehen und beim nächsten Arzttermin gezielt Rückfragen stellen“, wirbt das Bundesgesundheitsministerium für die Nutzung, „dadurch sind Sie in Zukunft noch besser über Ihre Gesundheit informiert.“
■ Daten für die Forschung
Pharmafirmen profitieren auch, denn ein Ziel der Reform ist es, der Pharmaforschung in Deutschland durch die Bereitstellung von Patientendaten im großen Stil einen Schub zu geben. Allerdings werden die Daten dabei mit Pseudonymen versehen, können den Menschen also nicht mehr direkt zugeordnet werden. Der Patient ist anonymisiert. Lauterbach versichert, es sei „kein Missbrauch dieser Daten möglich“. Auch hier gilt: Nutzer der ePA können der Datenverwendung zu Forschungszwecken jederzeit widersprechen.
■ Privatversicherte
Private Krankenversicherungen fallen nicht unter die gesetzliche Verpflichtung, elektronische Patientenakten für ihre Kunden anzulegen. Sie können es aber anbieten und womöglich wird die Nachfrage danach auch groß sein. Nach Angaben des Branchenverbands haben dies erste Versicherungen bereits getan, weitere bereiten es vor.
MIT AFP