INTERVIEW

„Es ist eine naive Vorstellung, dass Vitaminpillen Wunder bewirken“

von Redaktion

Prof. Hans Hauner rät zu einer Ernährung wie in früheren Zeiten – weniger Fleisch, Salz, Zucker und kleinere Portionen

Professor Hans Hauner zeigt ungesunde Lebensmittel und gesunde Alternativen dazu. © Marcus Schlaf

München – Wie ernährt man sich im Alltagsstress gesund? Ernährungsexperte Professor Hans Hauner gibt Tipps.

Herr Hauner, welche Bedeutung hat die Ernährung für unsere Gesundheit?

Wie wir uns ernähren, ist für 20 bis 30 Prozent unserer Gesundheit verantwortlich. Das sieht man schon daran, dass es Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Krebs und Diabetes bei Naturvölkern nicht, beziehungsweise in viel geringerem Umfang gibt. Viele Menschen bei uns leiden an einer Überernährung: Wir essen zu viel Fett, Zucker und Salz und zu wenig Ballaststoffe. Die Zusammensetzung unserer heutigen Ernährung weicht stark ab von der unserer Vorfahren. So war die Kost vor hundert Jahren viel regionaler und pflanzenbasierter, denn Fleisch war teuer. Es gab oft Suppen und Eintöpfe mit Gemüse.

Kann man mit Vitamintabletten eine ungesunde Ernährung ausgleichen?

Sie halten die versprochene Wunderwirkung in der Regel nicht. Ein Beispiel ist Resveratrol: Dieser Stoff findet sich in Pflanzen, unter anderem in der Haut von Weintrauben. Ihm werden positive Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System nachgesagt, es soll beispielsweise den Blutdruck senken und das Cholesterin regulieren. Doch isoliert man den Stoff und schluckt ihn in Kapseln, lässt sich wissenschaftlich keine gesundheitsfördernde Wirkung nachweisen. Das liegt daran, dass der Stoff nur ein winziges Rädchen in einem großen Getriebe ist. Es gibt eine Vielzahl sekundärer Pflanzenstoffe, die die Gesundheit fördern – allerdings im Zusammenspiel. Es ist eine naive Vorstellung, dass einzelne Substanzen Wunder bewirken.

Was sind in ihren Augen die wichtigsten Tipps für eine gesunde Ernährung?

Deutlich weniger Fleisch und weniger Zucker – pro Jahr sterben weltweit zwei Millionen Menschen durch zuckergesüßte Getränke. Industriell verarbeitete Produkte enthalten neben zu viel Zucker auch oft zu viel Salz: Das ist unter anderem verantwortlich für erhöhten Blutdruck und steigert das Risiko für Schlaganfall oder auch Magenkrebs. Pflanzliche Faserstoffe, auch Ballaststoffe genannt, schützen dagegen nachgewiesenermaßen vor Dickdarmkrebs und fördern die Darmgesundheit. Ich rate zu regionalen und saisonalen Produkten. Diese sind wir seit Generationen gewöhnt und vertragen sie deshalb auch gut.

Wie setzt man diese Tipps um, wenn man zum Beispiel mittags aus Zeitgründen in der Kantine isst?

Gibt es sehr große Portionen, sollte man sich einfach die Hälfte einpacken. Das Doggybag war früher nicht gerne gesehen, heute ist es ein Muss. Und eine halbe Pizza kann man gesund ergänzen durch eine Gurke, ein paar Tomaten oder auch eine frische Orange. Light-Produkte würde ich weglassen, hier wird sehr viel geschummelt. Stattdessen sollte man seine Portionsgröße im Voraus definieren, um sich nicht zu überessen. Und wer gerne zwischendurch Snacks zu sich nimmt, tut sich etwas Gutes, wenn die Snacks tatsächlich klein bleiben: Ein halbes Stück Kuchen oder ein kleines Stück Schokolade sollten völlig reichen.

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