Ein Start im Vollsprint

von Redaktion

Bei seiner Amtseinführung macht der Präsident eine Reihe harter Ansagen – Biden will Widersacher schützen

Tech-Größen: Mark Zuckerberg (Facebook/v.li.), Jeff Bezos (Amazon), Sundar Pichai (Google) und Elon Musk (Tesla). © dpa

Eher keine Trump-Fans: Barack Obama, Bill Clinton, Hilary Clinton und George W. Bush. © Saul Loeb/AFP

Washington – Kurz bevor es ernst wurde, gab es noch einen Schmunzel-Moment. Donald Trump ging vor seiner Vereidigung noch einmal zu seiner Frau Melania. Beide spitzten die Lippen zum Küsschen auf die Wangen, doch sie trafen sich nicht, es blieb beim Zentimeter entfernten Luftkuss. Ein möglicher Grund: Melania trug einen sehr speziellen Hut, dessen Krempe so breit war, dass ihre Augen kaum zu sehen waren. Obwohl sie den Kopf neigte, trafen sich Lippen und Wangen nicht. Designt hatte die ausladende Kopfbedeckung offenbar der weitgehend unbekannte New Yorker Adam Lippes. Dazu trug die First Lady einen navyblauen Mantel und die für sie typischen extrahohen Pumps von Manolo Blahnik.

Trump blieb klassisch bei Anzug und Krawatte. Wie er hingegen seine zweite Amtszeit zu gestalten gedenkt, das ließ der Republikaner in der Rede nach seiner Vereidigung – die aufgrund der starken Kälte in Washington in der Rotunda des Kapitolgebäudes stattfand – klar erkennen. Er sei optimistisch, dass man vor dem Beginn einer neuen „Ära des nationalen Erfolgs“ stehe, so Trump. Und: Eine Flut des Wandels werde durch das Land schwappen, und es werde eine „Revolution des gesunden Menschenverstandes“ geben. Von einem „schrecklichen Verrat“, der stattgefunden habe, sprach er. Damit machte Trump auch klar: So gut wie alles, was Biden – der das Weiße Haus mit historisch niedriger Popularitätsquote verließ – auf den Weg brachte, will Trump revidieren.

Seine Berater hatten bereits am Vortag führenden Mitgliedern der Partei übermittelt, was sich unter Trump schnell ändern werde. Die wohl wichtigste Entscheidung gilt der Grenze zu Mexiko, die Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris faktisch für illegale Einwanderer ungesichert gelassen hatten. Erstmals sollen nun sogar US-Truppen bei der Abschottung der Grenze mithelfen. Gleichzeitig wird der von Biden gestoppte Bau neuer Sicherungsanlagen mit Hochdruck wieder aufgenommen. Umfragen hatten ergeben, dass die Mehrheit der Bürger eine effektive Grenzsicherung wünscht. Hier versagt zu haben, war einer der Gründe für die Wahlniederlage Bidens, der gestern morgen die Trumps im Weißen Haus zum traditionellen Abschiedstee empfing. Gleichzeitig will Trump mit einer landesweiten Rasterfahndung vor allem in Großstädten versuchen, illegal im Land lebende Grenzgänger, die sich Verbrechen schuldig gemacht haben, aufzuspüren und abzuschieben. Dies soll aber nur der erste Teil von Massendeportationen sein, mit denen Trump bei seinen Unterstützern im Wort steht.

Eine Auswahl weiterer spektakulärer Ankündigungen: eine Öffnung von Bundesstaatsgebieten für die Energiegewinnung und die Gas- und Öl-Exploration. Ebenso wollte er einen Teil der Demonstranten begnadigen, die am 6. Januar 2021 das Kapitolsgebäude gestürmt hatten. Ausnahmen soll es dabei für jene Verurteilten geben, die Polizisten attackiert haben. Die Gästeliste bei der Vereidigung Trumps zeigte, wie es ihm gelungen ist, seine Fanbasis deutlich auszuweiten. Während führende deutsche Politiker fernblieben und nur einige Diplomaten für die Bundesregierung anwesend waren, gesellte sich gestern Amerikas High Tech-Elite zu Trump: wie Apple-Chef Tim Cook, Meta-Gründer Mark Zuckerberg, Tesla-Chef Elon Musk und Amazon-Gründe Jeff Bezos.

Trump kann mit Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses regieren, und auch im „Supreme Court“ – dem obersten Gerichtshof – hat er es mit konservativ dominierten Gremium zu tun. Mit dieser Konstellation im Rücken kann Trump extrem selbstbewusst agieren.

Bemerkenswert ist, was Trumps Vorgänger Biden vor der Übergabe noch veranlasst hat. Er sprach eine Präventiv-Begnadigung für Widersachern seines Nachfolgers aus. Er wolle unter anderen den ehemaligen Corona-Berater der US-Regierung, Anthony Fauci, den ehemaligen Generalstabschef Mark Milley sowie auch Mitglieder, Mitarbeiter und Zeugen des Kongressausschusses zur Erstürmung des Kapitols, aber auch eigene Familienmitglieder vor „grundloser und politisch motivierter Strafverfolgung“ schützen.
FRIEDEMANN DIEDERICHS

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