Stellvertreter: JD Vance wird von Supreme Court Justice Brett Kavanaugh als Vizepräsident vereidigt. © dpa
Trump-Fans: Drei Frauen aus Lexington, Kentucky, warten auf Einlass zur Amtseinführungs-Party. © Stephanie Keith/AFP
Alle warten auf Donald Trump: Die Szenerie bei der Amtseinführung des neuen Präsidenten – links, etwas unterhalb der Bildmitte, sind (v.li.) die Ex-Präsidenten Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton zu erkennen. © epa
Washington/München – Es hatte etwas Symbolisches, dass die zweite Amtseinführung von Donald Trump in das Kapitol verlegt wurde, während in der nördlichen Hälfte des Landes arktische Kälte herrscht. Anstatt sich zur Feier des Anlasses auf der Washington Mall und entlang der Pennsylvania Avenue, der traditionellen Route der Parade, zu versammeln, waren die Amerikaner gezwungen, drinnen zu bleiben. „Drinnen bleiben!“ Das gilt sowohl für Trumps Anhänger als auch für seine Gegner.
Erstere sind entschlossen, dem Engagement Amerikas in der Welt den Rücken zu kehren. Ja, es gibt nach wie vor unannehmbare wirtschaftliche Ungleichheiten in der Welt und zahlreiche bewaffnete Konflikte, aber unter der pax americana haben wir 80 Jahre Großmachtfrieden und eine beispiellose Periode globalen wirtschaftlichen Wohlstands genossen. Von weisen Führern nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut, war die Weltordnung nie kostenlos und Trumps Wähler sind nicht mehr bereit, die Rechnung zu bezahlen. Auf Sahra Wagenknechts Ruf „Ami go home“ haben sie eine einfache Antwort: „Gerne!“
Trumps Gegner ziehen sich ebenfalls zurück – hinter die eigenen vier Wände. In den zwei Monaten seit Trumps Wahlsieg haben sich die amerikanischen Liberalen zunehmend entmutigt aus der Tagespolitik zurückgezogen. Intellektuell und emotional erschöpft lesen sie weniger Zeitungen und sehen weniger Fernsehsendungen. Es ist ein Verhalten, das an die „innere Emigration“, die für viele Deutsche in den Jahren zwischen 1933 und 1945 eine intellektuelle und emotionale Zuflucht war, erinnert. Aber das ist keine Haltung für Bürger einer Demokratie!
Als Bürger – und in einer Republik bekleidet der Bürger das höchste Amt des Landes – sind wir verpflichtet, uns mit Trump auseinanderzusetzen, wo immer wir können. Obwohl ich mit den meisten Zielen des Präsidenten nicht einverstanden bin, geben zwei seiner grundlegenden Instinkte Anlass zur Hoffnung. Erstens missbilligt er Kriege und ist misstrauisch gegenüber kostspieligen amerikanischen Militärinterventionen zur Verfolgung unklarer politischer Ziele. Zweitens möchte er ein Vermächtnis in Form einer starken Wirtschaft hinterlassen. Was ist dagegen einzuwenden? Und da er keine festen ideologischen Überzeugungen hat, gibt es Hoffnung, dass er eher pragmatisch regieren wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er seinen Kurs ändern wird, wenn auch immer er erkennt, dass seine Politik nicht funktioniert.
Und obwohl Trump wieder einmal die Art unbesiegbarer triumphierender Hybris an den Tag legt, die für seine Person so charakteristisch ist, werden sowohl die Trump-Republikaner als auch ihre innenpolitischen Gegner bald erkennen, dass selbst der unorthodoxeste Politiker nicht frei von den bekannten politischen Zwängen ist.
Trumps Geschwafel über die Gefahren eines sogenannten „deep state“ (Staat im Staate) ist sicherlich übertrieben, aber er hat Recht, wenn er die Beschränkungen spürt, die die Institutionen den Launen des Regierungschefs auferlegen. In der Tat ist das „eiserne Dreieck“, das entsteht, wenn einheimische Interessengruppen eine Allianz mit Kongressmitgliedern und gleichgesinnten Mitgliedern der Bürokratie eingehen, eine starke Bremse für radikale Änderungen in der Politik. Eben deswegen will Trump eine große Zahl von Beamten in der gesamten Regierung austauschen. Es ist unwahrscheinlich, dass er eine Mehrheit im Kongress für die dafür erforderliche Gesetzesänderung finden könnte. Aber selbst wenn es ihm gelingen sollte, erfahrene Bürokraten durch Loyalisten zu ersetzen, werden Neulinge kaum in der Lage sein, radikale Veränderungen effektiv umzusetzen.
Um effektiv zu sein, muss jede Organisation sich auf das Erreichen einer kleinen Zahl zentraler Ziele konzentrieren. Selbst diszipliniertere Führungskräfte als Trump haben nur eine begrenzte Aufmerksamkeitsspanne. Und Trumps sprunghafter Führungsstil war einer der Gründe dafür, dass seine erste Regierung so ineffektiv war. Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass er inzwischen mehr Selbstbeherrschung entwickelt hat.
Trump ist schon jetzt eine „lahme Ente“
Außerdem ist das politische Kapital eines jeden Präsidenten begrenzt. Um effektiv zu sein, muss der Präsident es klug einsetzen, um seine wichtigsten Ziele zu erreichen. Aber Trumps Kabinett ist voll von sogenannten „Disruptoren“, und jeder von ihnen hat versprochen, die Regierung auf den Kopf zu stellen. Kann eine Regierung, die von Disruption durchsetzt wird, mehr als Chaos erreichen?
Vor diesem Hintergrund sollte man sich vor Augen halten, dass Donald Trump bereits eine „lahme Ente“ ist, die nach der Verfassung nicht mehr kandidieren darf. Sein Konto an politischem Kapital wird somit nie wieder aufgefüllt werden können. In zwei Jahren werden alle Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein Drittel des Senats zur Wiederwahl antreten. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Partei des Präsidenten durchschnittlich 26 Sitze im Repräsentantenhaus und vier Sitze im Senat verloren. Sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat verfügen Trumps Republikaner über sehr knappe Mehrheiten. Es bräuchte nur eine Verschiebung von vier oder fünf Sitzen in einer der beiden Kammern, um das Machtgleichgewicht in Washington radikal zu verschieben und dem Präsidenten die Aussicht auf weitere Fortschritte bei seiner radikalen Agenda zu nehmen.
In Washington wird es früher oder später wieder warm werden.