Claudia Buntrock ist Juniorprofessorin an der Otto-von-Guericke-Uni Magdeburg. © Kossmann
David Ebert ist Professor an der Technischen Universität München (TUM). © Marcus Schlaf
München/Magdeburg – Es geht um Gefühlslagen, die vermutlich jeder schon einmal zumindest zeitweise erlebt hat: Man ist schon morgens müde, geht antriebslos durch den Tag, zieht sich zurück von Freunden oder Hobbys oder kämpft mit einer unerklärlichen Traurigkeit. Diese und andere Symptome treten mitunter in geringerem Maße auf – lange bevor Ärzte von einer depressiven Störung sprechen würden. „In der Regel erhalten Betroffene aber erst dann Unterstützung, wenn ihre Symptome die klinischen Kriterien für eine Depression erfüllen“, sagt David Ebert, Professor für psychische Gesundheit an der Technischen Universität München (TUM). „Es gibt aber mittlerweile ein Umdenken. Denn wir haben bereits existierende wissenschaftliche Studien zum Thema untersucht, ob früher ansetzende Hilfsangebote eine depressive Störung verhindern können.“
Dazu hat das Forschungsteam zunächst mehr als 1000 internationale Studien gesichtet, daraus 30 ausgewählt und dann die Fakten zu der Fragestellung zusammengetragen: „Dafür haben wir erstmals anonymisierte Patientendaten aus diesen 30 Studien zusammengeführt und analysiert“, erklärt Claudia Buntrock, Juniorprofessorin am Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die Untersuchung ist bereits im Fachmagazin „The Lancet Psychiatry“ veröffentlicht worden.
Metastudie bringt klares Ergebnis
In diese Metastudie flossen die Daten von jeweils rund 3600 Personen in je einer Behandlungs- bzw. einer Kontrollgruppe ein. Die Menschen in der Behandlungsgruppe nahmen wegen sogenannter subklinischer Symptome – eher leichte Vorzeichen einer depressiven Verstimmung – an therapeutischen Programmen teil. Diese waren meist auf eine kurze Zeit zwischen sechs und zwölf Sitzungen angelegt und fanden im persönlichen oder auch digitalen Gespräch an Laptop oder Handy statt. Darin ging es zum Beispiel um verhaltenstherapeutische Elemente, Problemlösungstraining oder auch Übungen für einen erholsameren Schlaf.
Die Ergebnisse der Metastudie waren eindeutig: In den ersten zwölf Monaten ließen die Symptome der Teilnehmer aus der Behandlungsgruppe oft nach. Ihr Risiko, an einer echten depressiven Störung zu erkranken, war in den ersten sechs Monaten nach dem Ende der Behandlungen im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe um 42 Prozent verringert. Nach zwölf Monaten ging es immer noch 33 Prozent der Teilnehmer gut. „Bemerkenswert war auch, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen nicht von Faktoren wie Alter, Bildungsstand und Geschlecht abhängig zu sein scheint“, sagt Claudia Buntrock. Dagegen zeigten die frühzeitigen Therapien generell mehr Erfolg, wenn die Teilnehmer bislang noch nicht wegen Depressionen behandelt wurden.
„Die Ergebnisse zeigen, dass wir auch bei der psychischen Gesundheit durch Prävention viel erreichen können“, sagt Ebert. Durch rechtzeitige Prävention lasse sich verhindern, dass Betroffene mit leichteren Symptomen überhaupt an Depressionen erkranken. Deshalb empfehlen die Forscher, Präventionsmaßnahmen in die Betreuung der zu Depressionen neigenden Menschen zu integrieren. Durch weitere Studienwollen die Forscher nun genauer definieren, an welchem Punkt der ersten auffälligen Symptome eine Präventionsmaßnahme sinnvoll ist.
DORITA PLANGE