„Freilassing würde unter mehr Grenzkontrollen leiden“

von Redaktion

Die Grenzstadt befürchtet, dass Einkaufspendler aus Salzburg ausbleiben – Polizeigewerkschaft warnt: Haben nicht genug Personal

Ein bayerischer Grenzpolizist inspiziert Fahrzeuge, die von Österreich über die Saalachbrücke nach Freilassing fahren. © pa

München – Freilassing ist das, was man einen klassischen Grenzort nennt. Rund 18 300 Einwohner hat die Stadt im Berchtesgadener Land. Gerade mal sieben Kilometer sind es bis ins Stadtzentrum von Salzburg. Ein Katzensprung, mit der S-Bahn, die beide Orte verbindet und bis spät in den Abend hinein etwa im Viertelstundentakt fährt. Oder man fährt mit dem Auto über die Brücke der Saalach. Der Fluss markiert die Grenze zwischen Deutschland und Österreich.

Freilassing lebt stark von Einkaufspendlern, wie Stadtsprecher Daniel Beutel erklärt. „Die Wirtschaft hier ist auf einen viel größeren Umkreis ausgelegt. Der Einzelhandel ist angewiesen auf Kunden aus Salzburg.“ Jeden Tag kommen viele Österreicher zum Einkaufen in die bayerische Nachbarstadt. Weil manches hier billiger ist – und weil es kein großer Aufwand ist. Je nach Branche sind es laut Beutel 40 bis 60 Prozent der Kundschaft. Das könnte sich ändern, wenn, wie von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz geplant, möglichst engmaschige Grenzkontrollen kommen, um Migranten schon an der deutschen Grenze zurückzuweisen.

Österreich einbinden

Freilassing kennt das Problem mit Flüchtlingen. In der Krise im Jahr 2015 reisten täglich hunderte, an besonders schlimmen Tagen bis zu 2000 Flüchtlinge über Österreich und Freilassing in die Bundesrepublik ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge richtete in Freilassing eine Außenstelle zur Registrierung der Asylsuchenden ein.

Von solchen Szenen ist man in Freilassing derzeit weit entfernt, trotzdem wird an der Grenze kontrolliert – bisher aber nur stichprobenartig. Die Bundespolizei baut dann einen Kontrollpunkt an der vierspurigen Brücke über die Saalach auf und stoppt verdächtige Fahrzeuge. Auch in den Fernzügen, die Freilassing eigentlich ohne Halt passieren, wird kontrolliert. Der Zug hält dann in Freilassing außerplanmäßig und nur eine einzige Tür öffnet sich für die Grenzpolizisten, die durchgehen und schauen, wer da so sitzt.

„Sehr erfolgreich“ nennt Freilassings parteiloser Bürgermeister Markus Hiebl die bisherige Praxis. Seit mehr als zehn Jahren müsse man immer wieder mit restriktiven Maßnahmen an der Grenze leben. Das habe Auswirkungen auf den Handel, die Wirtschaft, den Pendler- und Bahnverkehr und auch auf das kulturelle Leben und persönliche Beziehungen. Hiebl lobt die Vorteile eines freizügigen Grenzverkehrs und spricht sich gegen eine Verschärfung aus: „Dauerhafte Grenzkontrollen würden die vorgenannten Einschränkungen wieder in ein für mich persönlich unangemessenes Verhältnis setzen und die eh schon gebeutelten Kommunen weiter in finanzielle und gesellschaftliche Schwierigkeiten bringen.“ Sollten die Vorschläge der CDU doch greifen, fordert Freilassings Oberhaupt Kontrollen auch schon auf österreichischer Seite, insbesondere in den Regional- und Fernzügen.

Auch Sprecher Daniel Beutel betont: „Der Einkaufs- und Wirtschaftsstandort Freilassing würde unter schärferen Grenzkontrollen potenziell leiden.“ Rückstaus auf der Brücke, Züge, die wegen der Kontrollen in Taktprobleme kommen – und genervte Österreicher. „Das Einkaufsverhalten der Salzburger würde sich ändern. Grenzkontrollen bedeuten Staus – und was mag der Mensch nicht? Er mag nicht warten!“ Das würde dazu führen, dass viele bisherige Kunden wieder mehr in Salzburg einkaufen. Auch viele Berufspendler und Schüler wären betroffen.

10 000 Beamte fehlen

Engmaschige Kontrollen würden auch die Polizei tangieren, vor allem die Bundespolizei. Und die sieht sich dafür nicht gerüstet, wie Lars Wendland, Vorstandsmitglied bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im ZDF bei Markus Lanz betonte. Alle Grenzen zu schließen, „das ist gar nicht machbar“, so Wendland, der selbst Bundespolizist ist. Zum einen funktioniere die Zurückweisung nur an den EU-Außengrenzen – zweitens habe die Polizei dafür gar nicht das Personal. „Dann bräuchten wir mindestens 10 000 Kolleginnen und Kollegen mehr als wir jetzt haben. Aber das sind nur die Kollegen, die dort kontrollieren.“ Auch in der Verwaltung reiche das Personal nicht aus, dort sei zuletzt sogar abgebaut worden. Woher das Personal kommen soll, sei unklar. Außerdem verließen 30 Prozent der jungen Polizisten ihren Beruf wieder in den ersten fünf Jahren – meistens, weil ihr Standortwunsch nicht erfüllt werde. Wendland ist Mitglied der SPD, betonte aber, nur für die Bundespolizei zu sprechen.
WOLFGANG HAUSKRECHT

Artikel 3 von 5