Bundeswehr-Werbung unter Beschuss

von Redaktion

Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft klagt gegen Jugendoffiziere in Schulen – Tram und Lok im Flecktarn werden toleriert

Mach, was wirklich zählt: Diese Tram im Flecktarn fährt durch München. © Yannick Thedens

München – Stillgestanden, Augen geradeaus – jetzt kommt der Jugendoffizier. Über 160 Mal marschierten 2022/23 Bundeswehr-Offiziere in Schulen auf und warben für Heer, Marine oder Luftwaffe, berichtet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Dass die Bundeswehr in Schulen auftaucht, ist seit Jahren üblich – seit August vergangenen Jahres aber ist es die Regel. Seitdem gilt in Bayern das Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern, gegen das die GEW jetzt klagt. Das Gesetz bestimmt, dass Schulen mit den Jugendoffizieren der Bundeswehr „im Rahmen der politischen Bildung“ zusammenarbeiten müssen. Auch Karriereberater der Truppe sind im Klassenzimmer nun ausdrücklich erwünscht. „Bisher konnte der Sozialkundelehrer selbst entscheiden, ob der Jugendoffizier in den Unterricht passt“, sagt GEW-Sekretär Bernhard Baudler, früher selbst FOS/BOS-Lehrer in Rosenheim. „Jetzt ist es ein Kooperationsgebot, die Bundeswehr bekommt Zugang, wenn sie anklopft.“ Zudem wendet sich die GEW auch gegen einen Passus des Gesetzes, der bestimmt, dass die Hochschulen mit der Bundeswehr zusammenarbeiten sollen und Forschungsergebnisse „auch für militärische Zwecke“ genutzt werden können.

Mit 190 Unterstützern reicht die GEW am heutigen Mittwoch Popularklage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. Es sind teilweise die üblichen Verdächtigen, die hier gegen die Bundeswehr zu Felde ziehen, etwa der Bund für Geistesfreiheit und der Musiker Konstantin Wecker. Unter den Mitklägern ist aber auch der Schauspieler Michael Fitz, die Deutsche Sektion von Pax Christi, die zur katholischen Kirche gehört, sowie die evangelische Theologin Margot Käßmann. Die GEW hatte online um Mitkläger geworben – daher kommen einige auch von außerhalb Bayerns. Das Gesetz instrumentalisiere bayerische Schulen, schreibt Käßmann in einem vorab übermittelten Statement. „Zudem treibt es die Militarisierung der Gesellschaft voran.“

Spätestens seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine verändert sich etwas – die Bundeswehr ringt um mehr Anerkennung in der Gesellschaft. Sie gehöre „in die Mitte der Gesellschaft“, sagte der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff schon 2011. Langsam kommt die Truppe damit in die Offensive. Es gibt jetzt Karriereberatungsbüros, auch in München an der Dachauer Straße. Mitunter kommt die Truppe recht unorthodox daher, etwa, als sie am Ostseestrand eine Beachlounge eröffnete. Mehr als 50 Berufe könne man bei der Bundeswehr erlernen, heißt es mit einigem Stolz.

Auch Werbemaßnahmen fallen plötzlich auf. Ringring – seit August 2024 kurvt tatsächlich eine Tram in Flecktarn und mit flotten Sprüchen („Grünzeug ist auch gesund für deine Karriere“) durch die Münchner Straßen. Die Bundeswehr hat die Werbefläche bis Mitte 2025 gebucht. Ganz unumstritten ist das nicht. In München habe es aber „nur eine Handvoll“ Beschwerden gegen die Bundeswehr-Tram gegeben, wie ein MVG-Sprecher sagt. Auch in einigen anderen Städten, etwa Braunschweig, kommt eine Straßenbahn jetzt im Camouflage-Look daher. Andernorts sind die Truppen-Trams jedoch zum Politikum geworden. Im sächsischen Zwickau wurde die grün-oliv beklebte Straßenbahn auf Betreiben des BSW per Stadtratsbeschluss kürzlich untersagt. Bei der Deutschen Bahn gibt es keine Loks oder Züge im Heeres-Look – obwohl die Bundeswehr, etwa beim Transport von Panzern, ein Großkunde des Konzerns ist. Österreich geht da einen Schritt weiter: Die ÖBB-Taurus-Lok 1116-182 fährt im Flecktarn des Bundesheeres. Geklagt hat bisher niemand.
DIRK WALTER

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