Das riecht! Markus Kampf auf dem Malzboden. © schramm
Eiweiße, Hefezellen, Hopfenharze: Braumeister Markus Kampf schöpft die unedle Kräusendecke ab. © schramm
Vier Zutaten braucht es zum Bierbrauen: Hopfen, Malz, Hefe und Wasser. © Privat
Nach 42 Tagen Reifezeit testen Biersommelier Oliver Klamminger (li.) und Braumeister Markus Kampf ihr Gebräu. © cornelia schramm
Schönram/Petting – Markus Kampf fährt mit beiden Händen in den randvollen Sack Malz. Er faltet sie zur Schale, führt sie zur Nase und atmet tief ein. Das Getreide hat einen unverkennbaren Geruch. „Wahnsinn, was man mit nur vier Zutaten anstellen kann“, sagt er. Der 48-Jährige ist Braumeister der Privaten Landbrauerei Schönram und weiß deshalb nur zu gut, was Malz kombiniert mit Hopfen, Wasser und Hefe kann. Helles, Dunkles oder Pils – es braucht nicht mehr, um all diese Biersorten zu brauen. Nur viele, viele Arbeitsschritte.
Hier in der Malztenne muss sich Kampf wegen der Dachbalken immer wieder ducken. In der einen Ecke lagern die Säcke mit dem Pilsener Malz, das hellen Bieren ihre Farbe und Aromen verleiht. In der anderen Karamellmalz, daneben Röstmalz und gegenüber der Weizen. So war das schon vor 100 Jahren – und noch früher. Seit 1780 ist die Brauerei in Petting im Kreis Traunstein im Besitz der Familie Oberlindober. Der Weiler Schönram selbst steht noch viel länger im Zeichen des Bieres. Im Bräustüberl nebenan wird seit 1512 gebraut.
■ Der Weg zur Vorderwürze
Markus Kampf steigt vom Malzboden zwei steile Stiegen hinunter in sein Sudhaus – und legt dabei eine Zeitreise hin. Jetzt steht er nicht mehr gebückt zwischen Balken und Dachluken, durch die man vom Teisenberg bis zum Hochstaufen schauen kann, sondern zwischen riesigen Maische- und Läuterbottichen aus Edelstahl und der digitalen Schaltzentrale. Jetzt wird Helles gebraut. Das Pilsener Malz landet geschrotet im Maischebottich, wo es mit Wasser auf maximal 78 Grad erhitzt wird. So werden Enzyme frei, die die Stärke aus dem Malz in vergärbare Zucker aufspalten.
Im Läuterbottich sinken die Kerndlreste zu Boden und werden später als Futtermittel an Landwirte verkauft. Übrig bleibt eine Malzzucker-Wasser-Schorle, die sogenannte Vorderwürze. An dieser Stelle probiert Kampf zum ersten Mal und misst die Stammwürze. Je höher der Gehalt, desto stärker das Bier. Das Schönramer Hell aber soll am Ende schlank und süffig sein. Im Sud stecken 1,5 Tonnen Malz. Daraus werden mal 9000 Mass Bier. In drei Schichten schaffen die Brauer hier acht solcher Sude am Tag.
Die lauwarme Vorderwürze schmeckt etwa wie der Saft in einer Dose Mais. „Diese unedlen Schwefelstoffe wären am Ende Bier-Fehler“, sagt Oliver Klamminger, der Schönramer Biersommelier. Dass die Vorderwürze jetzt nochmal auf 98 Grad erhitzt wird, tötet alle übrigen Keime und konzentriert sie erneut.
■ Hopfen kommt als Pellets
Erst jetzt kommt der Hopfen dazu. „Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, das ist die Handwerkskunst“, sagt Klamminger. „Wenn ich beim Kochen der Tomatensoße das Basilikum zu früh dazugebe, verkocht es. Wenn ich es erst später dazugebe, können sich die ätherischen Öle auf dem Teller voll entfalten.“ Hopfendolden halten Markus Kampf und seine Brauer aber fast nie in der Hand. „Jedes Jahr im September brauen wir unser Grünhopfenpils mit erntefrischem Hopfen, das ist quasi ein Feiertag für uns“, erzählt der Braumeister. Das Geheimrezept kennen nur ein paar Ausgewählte im Sudhaus. Denn sonst kommt der Hopfen der drei Bauern aus der Hallertau getrocknet, in Pellets gepresst sowie luft- und lichtdicht verschweißt, in Schönram an. „Licht und Wärme sind nicht nur die größten Feinde des fertigen Bieres, Sauerstoff ließe auch die Pellets alt und käsig schmecken“, sagt Klamminger. Ein Bauer aus Tettnang am Bodensee liefert Sonder-Sorten wie „Petit Blanc“ nach Schönram, die Markus Kampf etwa für den Weißbierbock braucht. Umgerechnet braucht Kampf 19 Tonnen Rohhopfen und 2250 Tonnen Gerstenmalz, um 110 000 Hektoliter Bier pro Jahr zu brauen. 90 Prozent davon füllt er in Flaschen ab, neun in Fässer und neuerdings auch ein Prozent, ein Helles Lager, in Dosen. Pro Liter Bier verbraucht die Brauerei fünf Liter Wasser, alle Reinigungsschritte eingerechnet.
■ Kühler Sud trifft Hefe
Auf acht Grad heruntergekühlt kommt der Sud im Gärkeller an, trifft dort auf die Hefe und gärt bis zu zehn Tage lang. „Heutzutage kann die Temperatur genau reguliert werden“, sagt Klamminger. „Früher aber entschied sich an dieser Stelle im Brauprozess, ob Hopfen und Malz verloren waren. Die Wärme war eine so große Gefahr, dass im Sommer lange Zeit ein Brauverbot galt.“ Heute wird in Schönram natürlich das ganze Jahr über gebraut. Trotz modernster Technik laufen aber bestimmte Handgriffe noch genau wie früher ab.
Braumeister Kampf steht vor einem Gärbottich und hält eine riesige Schöpfkelle in der Hand. Diesen Sud überzieht schon eine dicke, weiße Schaumschicht. Der Schaum wirft immer neue, minikleine Bläschen. „Viele Brauereien setzen auf geschlossene Gärbottiche, bei uns ist die lange kalte Gärung in offenen Bottichen aber noch immer Philosophie“, sagt er. Kelle für Kelle schöpft Kampf die sogenannte Kräusendecke ab. „Bei der offenen Gärung hat die Hefe weniger Stress beim Verstoffwechseln des gewonnenen Malzzuckers und kann somit schonender arbeiten. Unsere Brauer schöpfen die Kräusendecke jeden Morgen ab.“ Was sich hier kräuselt, sind Eiweiße, Hefezellen und Hopfenharze – unedle Stoffe, die eine kratzig-bittere Note hinterlassen würden. Im Bottich nebenan gärt Pils mit grünlichem Schaum – hier wurde „kaltgehopft“.
■ Reifen im Lagertank
Vom Gärkeller bahnt sich das Bier seinen Weg weiter. In einem Lagertank wird es mindestens 28 Tage reifen. „Meist sind es beim Hellen aber über 40 Tage, beim Imperial Stout sogar über 150“, sagt Kampf. „Wir haben nur liegende Tanks“, sagt Biersommelier Klamminger. „Dadurch hat die Hefe wieder weniger Stress, Feststoffe sacken ab und durch das Runterkühlen auf bis zu minus ein Grad bindet sich auch die Kohlensäure harmonisch ein.“
■ Zwickeln vor dem Filtern
Im Lagerkeller Nummer 14 ist es jetzt so weit: Nach 42 Tagen darf an einem der vier riesigen Tanks gezwickelt werden. Er fasst 120 000 Mass Bier. Klamminger dreht den Hahn auf, zapft in ein Krügerl und nimmt einen Schluck. Mit der lauwarmen Malz-Wasser-Mische aus dem Sudhaus zu Beginn seines Rundganges hat das wahrlich nichts mehr zu tun. Noch ist das Bier trüb, bis es durch die Filteranlage läuft. „Wir filtern mit Kieselgur, einem Mineral, das sich aus den mikroskopisch kleinen Kieselalgen gebildet hat“, erklärt Oliver Klamminger. Bevor das Helle abgefüllt wird, macht Markus Kampf die Qualitätskontrolle. Die Probe hält er vor ein Schauglas: „Das Bier ist glanzfein und hat diese sehr hellgelbe Farbe, auf die wir sehr stolz sind.“ Fünf Prozent Alkoholgehalt, 11,8 Prozent Stammwürze. Vier Zutaten und hunderte Arbeitsstunden – danach schmeckt das flüssige Gold der Bayern.