Die Geehrte Kaja Kallas mit Siko-Chef Christoph Heusgen. © Foto: API/Andy Knoth
München – Dieser Ort kann zu wildesten Fantasien verleiten, der Siko-Chef selbst ist der Beweis. Sollte Bayern sich irgendwann wieder zum Königreich erklären, sagt Christoph Heusgen im prächtigen Kaisersaal der Münchner Residenz, dann sei das hier der richtige Raum dafür. Er kenne da auch jemanden, der gerne König wäre. Zumindest deutsche Gäste wissen gleich, wen er damit meint.
Aber um Markus Söder geht es an diesem Abend nur am Rande, als Gastgeber. Das Siko-Dinner, alljährlich der festliche Kontrapunkt zur harten Politik im Bayerischen Hof, hat einen anderen Fixpunkt: Kaja Kallas. Die EU-Außenbeauftragte bekommt am Samstagabend den Ewald-von-Kleist-Preis verliehen. Als estnische Regierungschefin habe sie nach der russischen Invasion in die Ukraine große Stärke bewiesen und tue das noch immer, sagt Heusgen. „Sie ist eine mutige Frau.“
Kallas nimmt den Preis demütig entgegen, sie sagt: „mit gemischten Gefühlen“. Sie sei sehr geehrt, werde aber „das Gefühl nicht los, dass ich den Preis nicht verdiene. Denn der Krieg geht weiter.“ Kallas zieht Parallelen zu 1938, als die Welt versuchte, Nazi-Deutschland mit der Preisgabe der Tschechoslowakei zu besänftigen. Das ging damals schief und wäre auch heute ein Fehler. Die Botschaft richtet sich direkt an die wenigen US-Gäste im Raum: Putin lässt sich nicht zähmen, indem man ihm die Ostukraine schenkt.
Tatsächlich ist die Feierstimmung gleich doppelt gedämpft. Da sind einerseits die Schwierigkeiten im Verhältnis zu den USA. Außerdem wird kurz vor Begin des Dinners bekannt, dass nach dem Münchner Attentat von Freitag eine Mutter und ihr Kleinkind an ihren Verletzungen gestorben sind. Gleich zu Beginn bittet Söder um eine Gedenkminute. Die anwesenden Regierungschefs, Minister, Ehrengäste aus aller Welt erheben sich im goldenen Schein der Kronleuchter, es ist ein bewegender Moment.
Und dennoch ist man auch an diesem Dinner-Abend auf der Suche nach dem Hoffnungsschimmer. Söder sagt, es sei klar, dass sich in den Beziehungen zu den USA einiges verändern werde. „Aber wir dürfen uns nicht unterwerfen, dafür haben wir zu viel zu bieten.“ Heusgen platziert eine ähnliche Botschaft. „Ich hoffe, dass Europas Anführer verstehen, dass wir uns das alte Denken nicht mehr leisten können“, sagt er. „Dies ist die Stunde Europas“. Man ist gewillt, ihm zu glauben. Wie gesagt, dieser Ort verleitet zu so mancher Fantasie.
MARCUS MÄCKLER